„The Kalpana. In desert times“ – Kunstverein Freiburg

Manche mögen die Rann von Kachchh einfach als große Ödnis wahrnehmen, andere als Leerstelle für Ideen und Vorstellungen, wieder andere als Abbaugebiet von Salz. Die Menschen, die hier leben und über Generationen hinweg ihr Auskommen in dieser lebensfeindlich wirkenden Gegend gefunden haben, gaben ihr die Umrisse einer Schildkröte. Grund genug, dass im Kunstverein Freiburg nun in der Ausstellung „The Kalpana. In desert times“ eine Tischplatte von solcher Form auf vier Schildkrötenfüßen steht. Auf ihr liegen mehrere Artefakte, kleine Tonplättchen mit Landschaftsprofilen, hybride Tiere, für die mehr als eine Art Pate stand, vertrocknete Mangrovenwurzeln und -triebe, die in der Ausstellungshalle vor sich hin wachsen. Spuren von Tieren, die sich an diesen Lebensraum angepasst haben, sind auf die Glasplatte eingraviert. Man kann die Rann von Kachchh jedenfalls aus ganz unterschiedlichen Perspektiven sehen.
Goutam Ghosh, Susanne M. Winterling und Bodhisattva Chattopadhyay sind zur Feldforschung in diese Wüste gefahren. Genauer genommen ist die Rann von Kachchh ein Salzsumpf, der einmal ein ausgetrockneter Salzsee war. Für kurze Zeit des Jahres ist sie mit Wasser bedeckt. Die verschiedenen Nutzungen werden in der Ausstellung reflektiert. Da gibt es Sandbassins, die sich auf die Salzgewinnung beziehen und die Bilder, die die Form des Bassins auf abstrakte Weise aufgreifen. Und auch ein Sandmodell, mit dem man Klimaanpassungen berechnen kann, das vom Chaos Computer Club gestellt wird, schafft eine Verbindung zur Wüste als Lebensraum. „The Kalpana. The desert times“ hält immer auch ein utopisches, wenn nicht dystopisches Moment bereit. Die Wüste als weißes Feld. Menschen haben hier nicht nur Raketen gestartet und Atombomben gezündet, die Wüste ist immer auch Sujet von Science Fiction-Romanen gewesen. Doch natürlich wird sie in dieser Ausstellung auch als Zukunftsszenario vorgeführt. Das Foto von Susanne Winterling „Saltline, eastwind on the desert“ zeigt einen Ort mit einer durch die Mitte gezogenen Linie zwischen Salz und Himmel. Sie ist nur schwach gezogen, denkt man sich den Ostwind dazu, kann man sich einen Raum vorstellen, der sich auflöst, in dem Orientierung kaum möglich ist. Man läuft die ganze Zeit auf diese Arbeit zu, die an der Stirnseite der Ausstellungshalle hängt. In „The Kalpana. In desert Times“ ist diese Fotografie der Punkt, auf den sich alles ausrichtet.
Alles, was man sieht, bezieht sich zurück auf den Tisch, der wie eine Mind-Map funktioniert. Kalpana ist Sanskrit und bedeutet bilden, Vorstellung. Alles ist mit allem verbunden, von den Tieren gibt es eine Verbindung zur 3D-Animation, in der ein Hund und ein Dinoflagellant auseinander hervorgehen. Die Ausgrabungsstätte Dholavira bietet Anlass, sich mit einer bislang nicht entzifferten Schrift zu befassen, das Licht, das die Mangroven beim Wachstum stimuliert, verändert von der Galerie aus die Atmosphäre des Kunstvereins. Alles scheint hier Text, deutbar und mit vielen Variationen. Die Wüste lebt, aber vieles was hier imaginiert wird, wirkt auch beliebig.

The Kalpana. In desert times. Kunstverein Freiburg, Dreisamstr. 21, Freiburg. Di-So 12-18 Uhr, Do 12-20 Uhr. Bis 12. Juli 2029.