Im Gespräch: Reinhild Dettmer-Finke und Britt Schilling zum Projekt der Freiburger Bürgerstiftung „Strafraum – Absitzen in Freiburg“

Das Foto- und Informationsprojekt „Strafraum – Absitzen in Freiburg“, das die Freiburger Fotografin Britt Schilling und die Filmemacherin Reinhild Dettmer-Finke anlässlich des Stadtjubiläums „Freiburg 2020“ unter dem Dach der Freiburger Bürgerstiftung initiierten, will die Justizvollzugsanstalt (JVA) als einen verdrängten Teil der Stadt für die Stadtbevölkerung „sichtbar“ machen und eine Auseinandersetzung mit Strafvollzug, Resozialisierung und Wegen zurück in die Gesellschaft anregen. Friederike Zimmermann interessierte sich im Gespräch mit den beiden für die Entstehung des Projekts und die daraus erwachsenden gesellschaftlichen Optionen.

Kultur Joker: War es nicht Tolstoi, der sagte: „Um einen Staat zu beurteilen, muss man seine Gefängnisse von innen sehen“? Nun soll die JVA Freiburg sichtbar gemacht werden. Warum?

Reinhild Dettmer-Finke: In Freiburg gibt es wie in vielen anderen Städten ein großes Verdrängungspotential: Wirklich mit dem Knast zu tun haben wollen die wenigsten. Er ist eben da. Vor 150 Jahren, zur Zeit des Baus, lag die JVA noch am Stadtrand. Jetzt aber liegt sie mittendrin und ist Teil der Stadtgesellschaft. Das Stadtjubiläum ist doch ein schöner Anlass, sich damit auseinanderzusetzen.

Kultur Joker: Die Begriffe „Absitzen“ und „Strafraum“ im Projekttitel stammen aus dem Sport: „Absitzen“ bedeutet im Reitsport ja auch absteigen; „Strafraum“ wiederum meint im Fußball den Bereich, in dem andere – härtere – Regeln gelten als auf dem übrigen Spielfeld. Zufall oder Programm? Geht es in diesem Projekt darum, den Raum JVA bzw. seine Regeln in Frage zu stellen?

Britt Schilling: Ja genau darum geht es uns. Allerdings war es nicht beabsichtigt, dass man den Namen des Projekts mit Reitsport oder mit Fußball verbindet. Meinvisueller Fokus liegt auf dem Titel „Absitzen“. Daher auch meine Bildidee mit den Stühlen. Die Inhaftierten sitzen hier ja ihre Zeit ab.

„Strafraum – Absitzen in Freiburg“ bis zum 27.03.2021, Foto: Britt Schilling

Kultur Joker: Ist die JVA eine überholte Institution?

Reinhild Dettmer-Finke: Das Thema ist doch: Welchen Zweck hat das Strafen? Sollte die Zeit im Gefängnis nicht vielmehr genutzt werden, um Wege zurück in die Gesellschaft zu bauen? Das Stichwort heißt Resozialisierung. Sicher, es gibt Straftäter, vor denen man die Bevölkerung schützen muss. Aber das sind wenige. Auf der anderen Seite gibt es viele, die im Knast überhaupt erst kriminalisiert werden, deren Lebensstrukturen zerstört werden, so dass sie sich in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft nie wieder zurechtzufinden.

Britt Schilling: Ja, das sehe ich auch als Problem. Sich in solch einer Struktur zu sozialisieren ist unmöglich. Im Moment wird das aber nicht groß diskutiert. Doch die meisten Inhaftierten kommen irgendwann raus. Spätestens dann sind wir wieder mit ihnen konfrontiert.

Kultur Joker: Was wird sich durch dieses Projekt bewegen?

Reinhild Dettmer-Finke: Also, ich würde mir wünschen, dass man anfängt darüber nachzudenken, wie man mit Menschen, die sich fehlverhalten haben, umgeht. Unser Ziel ist letztendlich ein Anti-Stigma-Projekt, um Vorurteile abzubauen.

Noch bis 27. März 2021 ist die Ausstellung der großformatigen Fotoarbeiten von Britt Schilling im öffentlich zugänglichen Außenbereich der JVA zu sehen. Ab September gibt es verschiedene Begleitveranstaltungen, ein Begleitbuch, erschienen im Herder-Verlag, ergänzt die Thematik mit Informationen über den Strafvollzug, mit wissenschaftlichen Untersuchungen sowie Fotostrecken. Weitere Infos: www.strafraum-freiburg.de

Bildquellen

  • Reinhild Dettmer-Finke und Britt Schilling: Jannis Schilling