Tänze der Belle Époque: Internationales Tanztheater-Wochenende im Jagdschlösschen Eutin

Nikolett Gerlitz in der Choreografie von Ildikó Mándy
Foto: Berend Neumann

Anna Pavlova, die wohl berühmteste Ballerina aller Zeiten ist Inspiration für den ersten Teil des Tanztheater Wochenendes in Eutin. Auf Einladung von Krisztina Horváth gastiert die Company von Ildikó Mándy aus Budapest und präsentiert mit dem Solo „Anna Pavlova – Ballerina auf Reisen“ eine Art Selbstfindung einer jungen Tänzerin im Angesicht des großen Idols.
Mal spürt Nikolett Gerlitz sich hinein in die Schwanenbewegungen der Pavlova, mal bietet sie ihren filigranen Körper im weißen Ganztrikot als Projektionsfläche für das übergroße Antlitz der russischen Ballerina an. Ausschnitte aus Pavlovas berühmten Solo „Der sterbende Schwan“ werden nachgetanzt und verschmelzen bisweilen mit dem filmischen Original. Doch schnell legt Gerlitz die Spitzenschuhe ab, tauscht sie mit poppigen Gummi-Boots, die Musik wird von Techno-Beats unterwandert. Vom Spitzentanz bis hin zu trendigem Urban Dance: Nikolett Gerlitz erweist sich als ungemein vielseitig und sieht dabei der jungen Lady Gaga zum Verwechseln ähnlich. Kapriziös und romantisch versunken im Tutu, draufgängerisch und dynamisch mit Turnschuhen und Sweater, wird sie begleitet von zum Teil biografischen Videoprojektionen, die auf das Interessanteste mit den analogen Darstellungen verschmelzen.
Der zweite Teil des Abends gehört der modernen Antipodin Loïe Fuller mit ihren ebenfalls berühmt gewordenen Serpentinentänzen. Gunda Gravemann-Kamper widmet diese Hommage – unterstützt von Krisztina Horváth in Musikauswahl, Timing und Kostüm – der amerikanischen Tanzpionierin aus der Zeit der Belle Époque. Sie tanzt in sechs Abschnitten diese durch wirbelnde Stoffbahnen geprägten Tänze mit ausdrucksvoller Kraft. Man meint diese Tänze zu kennen – meist aus Filmen – und ist beim Zusehen doch überrascht, wie sehr die Live-Aufführung in ihren Bann zieht. Gravemann-Kamper gibt ihnen durch weiche Bewegungen Atem und Eleganz, tanzt sich barfuß von Szene zu Szene: mal lyrisch ganz in Weiß zu Claude Debussys „Claire de Lune“, dann dramatisch zum „Valse Triste“ von Jean Sibelius. In den Pausen liest Ruth Speidel von Voss Texte von und über Loïe Fuller, gibt Einblicke in ihre Auffassung von Tanz: Fuller interessierte sich für die im Jugendstil typischen Übergänge von Formen in Linien, für eine Art Entmaterialisierung des Körpers mit Hilfe von Stoff. – Das Publikum in Eutin ist in seiner Begeisterung kaum zurückzuhalten.
Am zweiten Abend dann Carl Orffs berühmtes Chor- und Orchesterwerk „Carmina Burana“ von Krisztina Horváth choreografiert. Sehr harmonisch und bisweilen an Ausdruckstanz erinnernd tanzen die Tänzerinnen des TanzTheaterEutin in lyrischen, bäuerlich anmutenden Tanzbildern die Angst vor dem Schicksal, die Hingabe an das Leben mit all seinem Auf und Ab. Eine schöne, nicht herausfordernde Choreografie, der das Publikum mit Interesse folgt.
Eutin kann sich glücklich schätzen, eine so versierte Künstlerin wie Kristina Horváth vor Ort zu haben – ein absolut gelungenes Kulturwochenende in einer Gegend, in der sonst nur Urlaub gemacht wird.

Bildquellen

  • Nikolett Gerlitz in der Choreografie von Ildikó Mándy: Foto: Berend Neumann
  • Serpentinentänze nach Loïe Fuller“ von und mit: Gunda Gravemann-Kamper: Foto: Berend Neumann