„Pussy Lounge“ stellt die Frage nach der Bedeutung des Geschlechts in der Tanzszene

Feminismus und Tanz ist kein Paar, das ohne Widerstände zusammenkäme. Da sind nicht nur die Hierarchien, die es selbstredend auch in der freien Szene gibt, da ist auch eine gnadenlose Altersauslese. Männer haben es da ein bisschen besser, sie sind im Tanz in der Minderheit und gegen die Frauen wird die Schwerkraft des Körpers ausgelegt. Für sie ist dann bereits Schluss, wenn ihre Kolleginnen vom Schauspiel beginnen sich über schwindende öffentliche Sichtbarkeit zu beklagen. Wenn nun mit Karolin Stächele und Sabine Noll zwei nicht aktivistische Feministinnen zur „Pussy Lounge“ ins Artik einladen, sollte es interessant werden, denn hier ist kein theoretischer Feminismus zu erwarten, sondern Reflexion über den ganz normalen Alltag im künstlerischen Feld.
Nach der letzten großen Produktion „Naked Love“ sollte es für die Dagada Dance Company (künstlerische Leitung: Karolin Stächele) etwas anderes sein: kleiner, performativer, spartenübergreifend und diskursiv. Und so sitzt man also im Rund ziemlich nah am Geschehen. Während das Publikum im Artik die Plätze besetzt, stehen die vier Tänzerinnen und Tänzer beieinander und unterhalten sich ent­spannt. Wer will, bekommt Getränke und Nüsschen, die von einem Teewagen aus gereicht werden. Mit Karolin Stächele, Sabine Noll, Katharina Ludwig und Neil Höhener stehen drei Generationen in der Mitte, die abhängig von ihrem Alter und ihrem Geschlecht unterschiedliche Erfahrungen mit strukturellen Zurücksetzungen gemacht haben. Und so lautet der Untertitel der Produktion „Oder was machen wir, wenn man uns machen lässt?“. Ausdrücklich als Feminstin würde sich wohl keine bezeichnen, aber keine und keiner würde auf eine Einladung zum Machen warten, sondern sich die Bühne aneignen. Ganz egal, ob junge Körper das Schönheitsideal beherrschen oder man wieder einmal für alles selbst verantwortlich ist.
„Pussy Lounge“ ist für Clubs konzipiert. Djane Zweatlana gelingt es an den Turntables eine Atmosphäre zu erzeugen, die viele während dieser Corona-Monate vermisst haben dürften. Nachtleben zielt auf Gemeinschaft und trotz Diskursnähe ist dies auch das eigentliche Ziel dieser Performance: kollektive Selbstermächtigung. Und hierfür wird sie nicht nur gleich umgesetzt, indem die Tänzerinnen und Tänzer sich die Bühne mit großen Schritten und weit ausholenden Bewegungen erobern. Subtilität oder gar Eleganz muss hier nicht sein, dafür ist Dynamik und die Lust n der Präsentation unübersehbar. Der Raum wird aber auch über die Geschichten beansprucht, die erzählt werden (Texte: Jule Weber), von den Hoffnungen, eine künstlerische Karriere mit einer Familiengründung verbinden zu können, von dem Unsichtbar-Werden von Frauen ab einem Alter, das bei Männern als interessant gilt und für Erfahrung steht. Sie berichten auch von den Problemen, den Anschluss nicht zu verpassen, sobald ein Kind da ist. In Clubs dominieren üblicherweise andere Geschichten, da ist es auch eine Selbstermächtigung, die eigene ausgerechnet hier zu erzählen.

Weitere Vorstellungen: 13. bis 15. Oktober, 20 Uhr im Crash.

Bildquellen

  • „Pussy Lounge“: Foto: Minz&Kunst