Kunst

Puppen ohne Bühnen: Das Museum für Neue Kunst Freiburg zeigt die Ausstellung „Marta! Puppen, Pop & Poesie“

Hanna Nagel porträtierte „die Kuhn“ 1929 so: sehr klein neben Hilde Isay, der Ehefrau von Karl Hubbuch, in einen Pelzmantel mit ausladendem Kragen gehüllt. Die Haare stehen ab als ständen sie unter Strom und geben den Blick frei auf ein apartes Gesicht mit ausdrucksstarken Augen, zierlicher Nase und rot geschminkten Lippen. Um den Hals hat sie einen Schal gebunden. Isay wirkt daneben in dem Trenchcoat tatkräftig und als Verkörperung des Typus der neuen Frau. Man kannte sich vom gemeinsamen Studium an der Badischen Landeskunstschule in Karlsruhe. Marta Kuhn-Weber (1903-1990) wird diesen sehr weiblichen, vor allem verspielten Look ihr Leben lang beibehalten. Die Fotos, die man von ihr kennt erinnern an Posen des Stummfilms und des expressiven Ausdrucktanzes. Sie wird diesen Stil auch auf ihre Puppen übertragen, die nun den Mittelpunkt einer Ausstellung im Museum für Neue Kunst Freiburg bilden. Der Freundeskreis des Museums hat 36 für die Sammlung angekauft.

Marta Kuhn-Weber um 1979 © Camille Feveile/Foto: Bernard Carrere

Bereits Anfang der 1930er Jahre entstehen Marionetten, damals für das Trickfilm-Atelier, das sie gemeinsam mit ihrem Mann Anton Weber in Karlsruhe gründete. Während Hanna Nagel zu einer bedeutenden Vertreterin der Neuen Sachlichkeit werden wird, gehen Marta Kuhn-Weber und Anton Weber nach Berlin, es gibt eine Ausstellungsbeteiligung, in der unmittelbaren Nachkriegszeit in Bayern zeichnet sie eher konventionelle Akte von sich oder ein Selbstbildnis, auf dem sie von einem dunkelhäutigen Soldaten bewundert wird. 1948 zieht sie zu ihrem Mann mit dem gemeinsamen Sohn nach Freiburg, die Produktionsfirma von Anton Weber muss Konkurs anmelden. Das Geld ist knapp. In Freiburg näht sie erste Puppen, diesmal keine Marionetten, sie setzt Stecknadeln ein, um die Gesichtszüge plastischer zu machen. Um sie ausstopfen zu können, schneidet sie die Polstermöbel auf. Sie selbst bezeichnet sie als „Figuren aus Lumpen“. Zeit ihres Lebens wird sie kaum künstlerischen Austausch suchen oder sich mit der Kunst ihrer Zeit befassen. Ihr zweiter Mann wird ihr in Paris eine Art Showroom für ihre bis zu einem Meter großen Stoffpuppen einrichten, 1965 stellt sie in Arles im Musée Ráttu aus. Sie selbst hat sich kaum über diese geäußert. 1964 schreibt sie: „Ob ich denke, dass meine Puppen Kunst sind? Ich habe mein ganzes Leben lang nichts anderes getan. Vielleicht denken Sie, dass sie keine sind, weil es keinen Rahmen um sie herum gibt? Weil sie nicht aus Marmor gemeißelt sind? Das ist mir egal. Was ich mir vor allem wünsche, ist, dass Sie diese Figuren als das nehmen, was sie sind.“
Was sind sie also? Marta Kuhn-Weber hat eine große Affinität zu Menschen, die ein Leben führen, das nicht der Norm entspricht, aber große Gefühle verheißt. Eine feministische Entdeckung ist sie eher nicht, vielleicht würde man ihr gerechter durch eine Einordnung zur Art brut. Noch in Freiburg näht sie Puppen, die den Bardamen eines Nachtlokals, das vor allem von französischen Militärs frequentiert wurde, nachempfunden waren. Es gibt Nixen, sie selbst, vor allem aber gibt es Stars. Marta Kuhn-Weber schafft Alter Egos von Mick Jagger, Janis Joplin, Sharon Tate und Mae West. Es sind allesamt Künstlerinnen und Künstler, die man in den 1960er und -70er Jahre nicht mehr entdecken musste. Sie waren Popkultur, Mainstream. Bei Marilyn Monroe ging ihre Obsession so weit, dass sie sich von einem Pressedienst jede Meldung über die Schauspielerin schicken ließ. Es sind Puppen ohne Bühnen oder andersherum: ihr Atelier wird durch die Puppen und ihrem Starappeal zur Bühne. Ein Foto, das in den 1960er Jahren in ihrem Atelier entstanden ist, zeigt sie nebeneinander vor einem Spiegel aufgehängt. Es wirkt wie der Einblick in eine Künstlergarderobe. Es scheint ihr genügt zu haben.

Marta! Puppen, Pop & Poesie. Museum für Neue Kunst, Marienstr. 10a, Freiburg. Bis 21.09.25.

Bildquellen

  • Marta Kuhn-Weber um 1979: © Camille Feveile/Foto: Bernard Carrere
  • Blick in die Ausstellung: © Patrick Seeger