Dem Pessimismus entgegenwirken? Ein Blick auf Rainer Grießhammers Roman „Alles wird gut – nur anders“
Rainer Grießhammer lädt ein zu einem Blick in das Jahr 2037. Unter dem Titelgebenden Motto, „Alles wird gut – nur anders“, will die Erzählung Plausibilität und Zuversicht vereinen. Optimismus ist in diesem Maße eine Seltenheit im Sci-Fi-Genre. Dem gegenwärtigen Pessimismus soll eine bessere Zukunft entgegengesetzt werden, nicht als Trost, sondern als Aufruf zu handeln.
Paul, der gerade sein Abi absolviert hat, wird eingeladen, beim „Klimatribunal“ teilzunehmen, und zieht dafür aus Berlin zu seinen “Ersatzgroßeltern” nach Freiburg. Dieser Tapetenwechsel kommt ihm gelegen, da seine Eltern Jan und Lea, Freunde und ehemalige Nachbarn von Clara und Ulrich, sich gerade scheiden lassen. „Alles wird gut – nur anders“ erzählt aus Ulrichs Perspektive, begleitet die Großeltern und Enkel durch ihren Alltag im Jahre 2037. Ihre Welt ist bis 2023 die gleiche wie unsere und hat sich seitdem auch nur bedingt verändert. VR, KI und Roboter sind allgegenwärtig, jedoch nicht sonderlich anders als sie es heute sind. Kreative Prognosen über die Zukunft von Technologie darf man hier nicht erwarten.
In 60 Kapiteln, die selten länger als 4 Seiten sind, wird sich je einem Thema gewidmet. Die wenigsten Kapitel tragen zu einer Handlung bei und schließen meist mit einer Rückkehr zum Status, ähnlich wie bei einer Fernsehsitcom. Das Format ist erfrischend und liest sich schnell, sodass man auch nach längerer Lesepause schnell wieder den Einstieg findet.
Wie bei den meisten Sitcoms wird dabei auf eine übergreifende Handlung verzichtet. Charakteren, die sich kontrastieren, ergänzen und in jeder Folge neue Dynamiken entwickeln, wie es in Sitcoms üblich ist, hat „Alles wird gut – nur anders“ leider nicht. Stattdessen wiederholt sich die gleiche Dialogstruktur in jedem Kapitel: Paul etabliert ein Thema, Ulrich erläutert ihm den jeweiligen Sachverhalt und InforMe, eine Mischung aus Suchmaschine und KI, die Paul täglich zum Recherchieren nutzt, steuert die nötigen Fakten bei. Auch wenn Paul und Ulrich zu Beginn nicht einer Meinung sein sollten, wird nicht diskutiert sondern Ulrich belehrt sein Gegenüber. Dieser sich in jedem Kapitel wiederholende Ablauf mindert den Lesegenuss ungemein.
Die Positionen und Standpunkte, auf die die jeweiligen Kapitel hinauslaufen, wirken schnell nicht mehr wie das zwischen zwei Positionen ausgehandelte Ergebniss einer Diskussion, sondern wie eine Predigt. Egal ob Paul, der naive, radikale und vollkommen unwissende Jungspund oder Jan, der zu belehrende Konsument, die Figuren sind lediglich Hülsen gängiger Positionen, deren Funktion es ist korrigiert zu werden.
Dabei fällt besonders die KI als literarisches Mittel auf. In den meisten Kapiteln finden sich halbseitige Textblasen. Gelungen ist die Umsetzung inhaltlich dort, wo schnell reale historische Ereignisse vermittelt werden müssen, um Paul und jungen Leser:innen das Gespräch zu kontextualisieren.
Kritikwürdig ist, dass der Autor die fiktive KI, die den Lesenden als Quelle für handfeste Fakten dienen soll, nutzt, um seine Meinung als solche zu etablieren. An mehreren Stellen widerspricht die KI dem wissenschaftlichen Konsens und tätigt Falschaussagen, die nur durch Vorkenntnis oder Recherche zu erkennen sind. Die Charaktere hinterfragen zwar die Allwissenheit der KI, nicht aber ihre Unfehlbarkeit, sie gebe schließlich immer Quellen an, die dem Lesenden jedoch vorenthalten werden.Es gibt zwar ein Literaturverzeichnis, in welchem jedoch nur namentlich erwähnte Werke und nicht die vielen erwähnten Statistiken vermerkt sind. Stattdessen sind viele der Titel andere Publikationen des Autors.
Der versprochene „Generationenkonflikt“ fehlt leider vollständig. Paul, stellvertretend für meine Generation, ist eine Ansammlung von Stereotypen: Er ist Polyamor, wettert gegen den Kapitalismus und kauft sich dennoch immer die neuste Technik, von der er auch vollkommen abhängig ist. Er weiß praktisch nichts über die Vergangenheit, kann nicht wirklich von Hand schreiben und findet alles, was nicht hochmodern ist, total „Steinzeit“. Doch besonders was das Buch über Wohnraum vermitteln möchte, ist auch unabhängig von der Form ein inhalticher Schlag ins Gesicht junger Menschen: Ulrich schlägt vor, dass kein weiterer Wohnraum gebaut werden solle. Menschen sollten möglichst ihr Haus verkaufen und in ein kleineres ziehen und lieber Geld für gute Dämmung und Wärmepumpen ausgeben.
Paul zieht schließlich überglücklich in ein Tiny Loft. Was sich hier als ökologisch nachhaltige Zukunft des Wohnens verkauft, ist bereits heute eine dystopische Entwicklung. Aus der eigenen Garage nochmal Geld schlagen zu können, mag für den Autor wie eine Utopie wirken. Für diejenigen, die sich gezwungen sehen, dort zu wohnen, ist es genau das Gegenteil. Hier wird der ökonomische Zwang in Räumen zu leben, die nicht dafür gedacht sind, seien es Durchgangszimmer, Gartenhütten oder Garagen, nivelliert. Es hilft auch kein „Wir hatten ja früher nichts“ um davon abzulenken, dass junge Menschen den wenigsten Wohnraum besitzen, am häufigsten in Wohngemeinschaften leben und dafür einen viel größeren Anteil ihres Einkommens bezahlen als die Generationen davor.
Besonders junge Menschen machen bereits all das, was Rainer Grießhammer vorschlägt: Ihre Arbeit ist inflationsbedingt weniger wert und ihre Kaufkraft entsprechend niedrig. Politisches Engagement ist enorm hoch, sei es gegen Klimawandel oder Rechtsruck, während die Mieten und Preise weiter steigen und die Sommer fast so unerträglich sind wie die Faschisten im Bundestag. Aber keine Sorge, „Alles wird gut – nur anders“.
Bildquellen
- „Alles wird gut – nur anders“: Copyright: Oekom Verlag
- Dem Pessimismus entgegenwirken? Ein Blick auf Rainer Grießhammers Roman „Alles wird gut – nur anders“: Foto: Markus Spiske/pexels