Neuenburg und die Kunst

Die Landesgartenschau in Neuenburg birgt einige Überraschungen. Uns interessiert die Kunst vor Ort. Zu solchen Veranstaltungen gehören Kunst-Setzungen fast schon traditionell hinzu – man erinnere sich an Freiburg, wo das Ereignis 1986 stattfand und Impulse setzte: Im Zentrum stand zwar die Anlage des Seeparks rund um den Flückiger See als Naherholungsgebiet für die Stadtbevölkerung, Kunst konnte auch realisiert werden. Dem Berufsverband Bildender Künstler (BBK) Südbaden war’s nicht genug: man protestierte beim Stadtplaner Klaus Humpert, der die Leitung innehatte. Der innewohnende Konflikt der Interessen zwischen Stadt- und Landschaftsplanung, Architektur und Bildender Kunst zeigte sich damals und bleibt ein struktureller.
Lahr 2018, die letzte LGS in der Region,lieferteein in künstlerischer Hinsicht reichlich enttäuschendes Resultat. Diesmal ist es anders: Mehrfach abgestufte Ausschreibungen und Wettbewerbe ermöglichten veritable Kunst vor Ort. Zu dem positiven Gesamteindruck, dies vorab, trägt bei, dass das Konzept der Neuenburger Schau ohnedies schlüssig erscheint: die Stadt an den Rhein zu bringen, wieder, muss man sagen. Denn Distanz und Risse schufen erst das Hochwasser von 1525, das die mittelalterliche Reichsstadt mit ihrem auf erhabenem Plateau gelegenen und einst weithin sichtbarenMünsterzu großen Teilen zerstörte, später dann die Rheinbegradigung, die der Ingenieur Johann Gottfried Tulla ab 1817 im Auftrag der Markgrafen vornahm und die die Stadt noch weiter vom Fluss entfernte. Ein schönes und schlüssiges Thema, die so entstandene Kluft wieder ein Stück weit zu reparieren. Übrigens, die seit Jahren andauernden Erdarbeiten brachten einiges Erstaunliche zum Vorschein: eine historische Hafenanlage am Altrhein, Reste der Westwall-Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg.

Léonie von Rothen, Unterführung, Detail
Foto: Fabry-Flashar

Engagierte Ausschreibungen
Arbeiten von insgesamt 14 arrivierten Künstler:innen werden auf dem Areal gezeigt. Im Zentrum stand der Wettbewerb „Kunsträume“ (34 beteiligte, 7 ausgewählte), den die Stiftung der Sparkasse Markgräflerland zur Förderung von Kunst und Kultur auslobte, gemeinsam mit demSparkassen-Verband Baden-Württemberg und der Oberrheinkonferenz. Eine weitere Ausschreibung betraf zwei bislang missliche und hässliche Fußgänger- und Fahrrad-Unterführungen unter der Westtangente und der A 5 – beides ebenfalls Störriegel zwischen der Stadt und ‚ihrem‘ Fluss. Hinzu treten eine Kooperation mit dem Freiburger Morat-Institut für Kunst und Kunstwissenschaft – und zwei Bürgerprojekte. Beim Gang zum höchsten Punkt im Gelände strandet man am Café mit dem vielsagenden Namen „Panzerplatte“: ein ebenfalls historischer Ort. Dort hat die Breisacher Arton Galerie (dahinter steht die Firma Birkenmeier Stein & Design in Niederrimsingen) mehrere Steinguss- Skulpturen der Berlinerin Elvira Bach aufgebaut. Schrill-bunt, wie es sich für die (nicht mehr ganz) Junge Wilde gehört; thematisch: Frauen, Badenixen – also passend zum Wasser. Auflagen und Entstehungsdaten werden leider nicht mitgeteilt.

Barbara Schnetzler, Belchen-Dreieck

Belchen-Symbolik
Doch nur wenige Meter unterhalb, mit Blick schon aufs Wasser, begegnet wirklich Erhabenes: eine wunderbare Installation der Basler Künstlerin Barbara Schnetzler mit dem Titel „Belchen-Dreieck“. Der Begriff ist keltischen Ursprungs und bedeutet Sonnen- oder Himmelsstein. Schnetzlerhat die Belchen-Berge – Ballon d’Alsace, den Schwarzwälder Belchen und die Belchenfluh im Jura – als Symbole für das Dreiländereck genommen und jeweils einen originalen Felsblock platziert, zweimal Granit und den Kalk vom Jura. Sie stehen im Dreieck und ruhen im Goldenen Schnitt. Die Freiburger Kunsthistorikerin Heike Piehler, die den Wettbewerb „Kunsträume“ kuratierte, sagte in ihrer Eröffnungsrede mit Begeisterung: „Für uns steht dieses Werk auch symbolisch für die – natürliche – Zusammengehörigkeit dreier Länder.“ Die Beiträge zu „Kunsträume“ sind also „Land Art“ im klassischen Sinne.

Bürgerprojekt „Stelenwald“
Foto: Flashar

Maier, Schön, von Rothen, Bürger
Der Freiburger Herbert Maier durfte an mehreren Stellen der LGS großformatige Banner, Reproduktionen von Arbeiten aus den letzten Jahren, zeigen. Erweiterungen seiner „Visuellen Bibliothek“, die mehrfach schon zu sehen waren. Stimmig wirkt hier eine Präsentation im Gehölz am Rheinarm: das Konterfei eines Käfers.
Die Eisengüsse von Dietrich Schön kommen auf dem mit Split aus Carrara-Marmor gegründeten Hof am Morat-Institut deutlich besser zur Wirkung als jetzt auf dem weniger kontrastierenden Schotter im schattigen kleinen Stadtpark „Wuhrloch“, der der LGS angeschlossen ist.
Überzeugend und wirklich frisch gerieten die beiden Tunnel-Gestaltungen in Acryl der Schweizerin Léonie von Rothen, wohnhaft in Sulzburg. Besonders Grundwasser ist hier das Thema, imaginäre Tiere schwimmen im fantastischen Blau der gedachten Höhlen.
Von den beiden Bürgerprojekten, partizipativ: so soll es sein, sticht „Stelenwald“ hervor: von 60 Menschen mit Acryl bemalte Holzplatten, wie Totems in Reihe aufgestellt, ganz poetisch den Wiesenrand umspielend.
Das Fazit: In den Sommerferien mag Neuenburg ein geeigneter Kunst-Ausflug in der Region sein.

Weitere Infos: www.neuenburg2022.de/gartenschau/kunst

 

Bildquellen

  • Léonie von Rothen, Unterführung, Detail: Foto: Fabry-Flashar
  • Barbara Schnetzler, Belchen-Dreieck Foto: Fabry-Flashar: Foto: Fabry-Flashar
  • Bürgerprojekt „Stelenwald“: Foto: Flashar
  • Elvira Bach,Steinguss-Nixe: Foto: Fabry-Flashar