Kommentar zum Erhalt einer Städtischen Galerie in Freiburg

Zu viel Kunst in der Stadt? Zu viele Bilder, Skulpturen, Installationen? Zu viele Orte, an denen man innehalten, reflektieren, in die Welt und in sich selbst hineinschauen kann? Natürlich kann man der Meinung sein, dass Freiburg reich genug an Attraktionen ist, an kulturellen Highlights. Da ist das Münster, da sind die alten Gassen, da ist das Theater, die Universität, sind die Chöre und Orchester, und da ist die Natur drumherum vom Schwarzwald übers Markgräflerland bis hin zum Kaiserstuhl. Und als Zugabe gibt es sogar noch die Bächle und die Dreisam-Schwellen, die an heißen Sommertagen zur Kühlung dienen. Ja gewiss:„Freiburg hat, was alle suchen.“
Der Werbeslogan, der vor Jahren durch eine Verschiebung des Kommas um ein Wort nach hinten, zur medialen Lachnummer wurde, bezog sich kaum auf die Bildende Kunst. Das altehrwürdige Augustinermuseum führte damals, trotz aller Anstrengungen der Beteiligten, ein Schattendasein; das gerade erst gegründete Museum für Neue Kunst begann, sich mit ungewöhnlichen Aktionen in Szene zu setzen; der traditionsreiche Kunstverein bediente sein treues Publikum mit anspruchsvoller Gegenwartskunst. Und die Städtische Galerie? Die befand sich noch mitten in der Stadt im „Schwarzen Kloster“ und verstand sich als Spielstätte für unterschiedlichste Gruppierungen und Themenstellungen. Ihr Programm wurde über lange Zeit im Rathaus von Amts wegen verwaltet, ein eigenes Profil, eine spezifische Ausrichtung gab es nicht.
Das alles ist lange her. Die Städtische Galerie gibt es immer noch. Ihren Platz im Zentrum musste sie räumen, sie fand ein neues Zuhause außerhalb im Nirgendwo, mit ÖPNV-Anschluss, immerhin. Und doch hat sie sich über die Jahre zu einem weithin geschätzten Ort der Kunst entwickelt. Die dort präsentierten Ausstellungen zeigen Arbeiten heimischer und auswärtiger Künstlerinnen und Künstler, aktuelle Positionen, die sich mit unterschiedlichsten Fragen zur Autonomie und zur gesellschaftlichen Relevanz von Kunst beschäftigen. Das Jahresprogramm wird von einer im Kulturamt angesiedelten Jury verantwortet, man kann sich bewerben, oberstes Kriterium ist Qualität. Insofern ist die Städtische Galerie, nun aber mit fachlicher Expertise, nach wie vor ein offener Raum für alle Möglichkeiten künstlerischer Äußerungen –und das ist auch gut so.
Ein Zuviel an Kunst? Eine verzichtbare Option angesichts des reichhaltigen Freiburger Angebots? Überflüssig etwa neben den Museen und Galerien in städtischer oder privater Hand, neben dem Kunstverein, dem Kulturwerk T66 des BBK oder den inzwischen immer mal wieder für kurze Zeit aufploppenden und dann wieder verschwindenden Off-Spaces? Natürlich nicht! Freiburg braucht diese Einrichtung! Und die Künstlerinnen und Künstler brauchen dieses verlässliche, bedingungslose Angebot der Stadt, aus ihren Ateliers hinausgehen und uns zeigen zu können, wie Bilder, Skulpturen und Installationen den Blick auf die Welt schärfen und verändern. Wie sehr Kunst nottut.

Dr. Jochen Ludwig, Jahrgang 1946, Kunsthistoriker, war Gründungsdirektor des Museums für Neue Kunst der Stadt Freiburg und von 1985 bis 2011 dessen Leiter.

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  • Wie Kunst nottut: Foto: Art Media Verlag