In der Galerie für Gegenwartskunst im E-Werk in Freiburg ist die aktuelle Regionale 21 zu sehen

Ganz sollte Lea Torcelli dann doch nicht Recht haben. Anders als von ihr vorhergesagt, haben die Regionale 21 in der Freiburger Galerie für Gegenwartskunst im E-Werk nicht nur Mäuse gesehen. Sie selbst kam mit der Höhe ihrer Installation den Nagern entgegen, alle anderen müssen sich bücken. Zeit ist in diesem Pandemiejahr relativ geworden – eine Regionale, die im Frühjahr besichtigt werden kann, nachdem im letzten Jahr lediglich eine Online-Vernissage stattfand, ist da nur ein Ausdruck eines ins Wanken geratenen Gefüges, in dem man bislang immer darauf zählen konnte, dass die Regionale das Jahr beschließt und das neue beginnt.
„Songs from the End of the World“, so der Titel von Heidi Brunnschweiler und Jana Spät kuratierten Ausstellung, nimmt bereits auf unser Jahr mit Covid-19 Bezug. Das Dystopische, das in den ausgewählten Werken anklingt, lässt sich also nicht mehr als angesagter Diskurs, eingeleitet von ein paar Theoretikerinnen und Theoretikern sowie der documenta 13 abtun. Viele der Arbeiten der elf Künstlerinnen und Künstler befassen sich mit unserem Verhältnis zur Natur, Emeka Udembas Einzelausstellung in der Galerie I steuert noch ein weiteres Thema bei: den alltäglichen Rassismus, den Schwarze in Deutschland erleben. „Where are you from“ ist dann auch auf mehrere Blätter gedruckt, die eine der Wände in der Galerie tapezieren. Der Stempel dazu liegt auf dem Tisch daneben aus. Die enervierende Frage schließt sich zum Kreis, die Form erinnert an eine Iris, die zunehmend zur Identifizierung genutzt wird. Das Taxieren von Menschen ist in dieser Einzelpräsentation „#Another Day in Paradise“ eine Angelegenheit auf Gegenseitigkeit. Betritt man die Galerie I sieht man sich der Installation „The Gathering“ gegenüber, es sind zehn kegelförmige Umhänge auf Ständern, die an die Kutten des Klu-Klux-Klan erinnern. Die Augenpartie ist ausgespart und farbig konturiert, der Rest mit Spiegelscherben beklebt, die nicht nur unseren Blick fragmentieren, sondern ihn auch zurückspiegeln. Die Porträts, es sind ein Block von Kinderdarstellungen als Brustbild und Paare aller Art, bestätigen diese Ambivalenz. Sie stiften einen Dialog mit den Betrachterinnen und Betrachtern, der durch die Collagetechnik der Bilder wie ein Lichtstrahl gestreut, der auf ein Prisma fällt.
Der Titel „Songs from the End of the World“ löst sich in Lea Torcellis Installation „Phyto_Lotis (3031)“ ein. Die Arbeit beruht auf der Voraussetzung, dass ein zukünftiger Asteroideneinschlag das Leben auf der Erde wenn nicht zerstören, so doch nachhaltig verändern wird, insofern er Hybride hervorbringt. Torcelli geht in dieser materialreichen Installation auf historische Deutungs- und Ordnungsmuster zurück wie etwa die Naturalien der Wunderkammern und antike Erzählungen von Metamorphosen zwischen Mensch und Natur. Am Boden befinden sich zudem Glaskolben mit Nährflüssigkeit für Samen, die zu Pflanzen austreiben sollen. Ein bisschen Synkretismus ist schon dabei, wenn die Welt nach der Apokalypse neu gedacht werden soll.
Dass nicht alles verloren ist, zeigt die aufwendige und höchst ästhetische Zweikanal-Videoinstallation „Habitat“ von Daniel Dressel und Lynne Kouassi aus dem Jahr 2019. Das Video stellt tatsächlich zwei unterschiedliche Lebensräume vor, die sich auf unerwartete Weise Halsbandsittiche und Rotkehlchen ausgesucht haben. Seit einigen Jahren bevölkern die auffällig grünen Sittiche, die ursprünglich aus Afrika stammen, europäische Städte. Sie haben sich ebenso an das Klima und die Lebensbedingungen gewöhnt wie das Rotkehlchenpaar, das in einem der Gewächshäuser von Kew Gardens in London lebt. Ein kleines Wunder der Anpassung.
Regionale 21. Galerie für Gegenwartskunst im E-Werk, Eschholzstr. 77, Freiburg. Bis 23. Mai. Derzeit mit Terminvergabe, vorbehaltlich aktueller Änderungen des Pandemiegeschehens.

Weitere Infos unter www.ewerk-freiburg.de

Bildquellen

  • Emeka Udemba: Marc Doradzillo