Im Gespräch: Anselm Pahnke, Abenteurer und Referent auf der Mundologia 2023, fuhr mit dem Fahrrad von Südafrika bis Ägypten

Anselm Pahnke © Mundologia Freiburg

Nur mit dem Nötigsten ausgerüstet, erkundet Anselm Pahnke nach dem Studium mit zwei Reisegefährten auf dem Fahrrad den Süden Afrikas. Als diese plötzlich die Heimreise antreten, steht er mitten in der sengenden Kalahari-Wüste vor der schwierigen Entscheidung, ebenfalls abzubrechen oder alleine weiterzufahren. Auf dem 19. MUNDOLOGIA-Festival im Konzerthaus Freiburg am 5. Februar 2023 zeigt Anselm Pahnke seine Reportage „Anderswo in Afrika – wenig haben, viel sein“ und erzählt von seinen Erlebnissen auf dem afrikanischen Kontinent. Janine Böhm sprach mit ihm über Herausforderungen und prägende Erfahrungen seiner Radreise.

UNIversalis: Hallo Anselm. Du bist nach dem Studium der Ozeanografie und Geophysik mit zwei Reisegefährten nach Afrika aufgebrochen. Was hat dich an Afrika gereizt?

Anselm Pahnke: Afrika hatte ich nicht auf meiner Reiseliste. Ich habe die Reise vielmehr angetreten, um reisen zu können. Ich hatte Lust auf ein großes Abenteuer, wusste nur nicht wohin und so habe ich mich den beiden Reisegefährten angeschlossen. Ich hatte viel Respekt vor Afrika aber auch eine große Neugierde. Meine Bachelorarbeit hatte ich über Namibia geschrieben.

UNIversalis: Ihr hattet euch über das Internet kennengelernt.

Anselm Pahnke: Genau. Sie haben mir mittags geschrieben und anderthalb Tage später sind wir losgeflogen. Ich hatte keine Zeit mir groß Gedanken darüber zu machen. Hätte ich angefangen zu recherchieren, wäre die Reise vermutlich nicht zustande gekommen.

UNIversalis: Was hattet ihr vor? Gestartet seid ihr in Südafrika.

Anselm Pahnke: Ich hatte zweieinhalb Monate Zeit, bevor mein Master losging. Die Zeit wollten wir nutzen und schauen, wie es ist.Schon nach vier Wochen haben wir gemerkt, dass es sich gut anfühlt. Wir wollten weiterfahren. Ich habe meinen Master verschoben und zu der Zeit, als ich ihn hätte anfangen können, haben die beiden die Reise in Botswana abgebrochen und sind heimgeflogen. Ich habe mich dann dazu entschieden alleine weiterzureisen.

UNIversalis: Deine erste Etappe alleine hat dich in die Kalahari geführt, eine trockene, sandige Landschaft.

Anselm Pahnke: Die Kalahari ist ein Becken, welcher sich über Jahrmillionen mit Sandkörnern gefüllt hat. Die größte Sandfläche der Welt.

UNIversalis: Dort leben viele wilde Tiere, darunter Löwen. Wie waren deine ersten Nächte alleine im Zelt? Hattest du Angst?

Anselm Pahnke: Ich hatte in den ersten Nächten große Ängste, aber die Tiere hatte ich nicht so auf dem Radar. Es ging mir vielmehr um meine Einsamkeit ging. Ich habe gespürt, wie schrecklich es für mich ist, alleine zu sein. Ich bin ewig diese lange Straße langgefahren. Ich hatte kein Ziel, sie brachte mich nirgendwo hin. In der vierten Nacht hatte ich mein erstes Erlebnis mit wilden Tieren, das waren dann gleich Löwen. Wäre ich nicht so in mich gekehrt gewesen, hätte ich vielleicht die Spuren wahrgenommen. Die Augen wieder aufgemacht und besser aufgepasst, habe ich erst, als es mir besser ging. In der vierten Nacht jedenfalls hatte ich drei Löwen an meinem Zelt. Ich wusste damals noch nicht, dass sie nicht zwischen Beton- und Zeltwand unterscheiden können. Zum Glück haben die mich da nicht rausgeholt. So gefährlich sind Löwen wahrscheinlich auch nicht, jagen den Menschen angeblich nur, wenn sie Zahnschmerzen haben. Menschenfleisch ist weich, aber sie mögen es nicht.

UNIversalis: Da braucht man Nervenstärke, um das durchzustehen.

Anselm Pahnke: Das erste Geräusch, was ich gehört habe, war ein Brüllen, das immer näherkam. Ich hatte an einem Wasserloch das Zelt aufgeschlagen. Ich leuchtete aus dem Zelt und sah drei Löwen am Wasser. Als sie mich sahen, kamen sie näher und platzierten sich vor meinem Zelt. Ich habe versucht eine kleine Feuerbombe zu bauen und hätte sie zur Not geworfen, aber am nächsten Morgen waren sie weg. Ich denke, Angst ist vor allem dort, wo der Kontakt zur Realität fehlt. Wenn der Löwe da ist, dominieren Wachsamkeit und Zielorientierung. Wer kennt das nicht? Angst entsteht vor allem in der Fantasie. Wenn diese dann von der Realität abgelöst wird, werden Instinkte geweckt, man handelt intuitiv und weiß die Tiere einzuschätzen.

UNIversalis: Dein Vater hat dich in Namibia besucht. Wie kam es dazu?

Anselm Pahnke: Ich habe ihn als Mentor gebraucht, weil ich mich so einsam gefühlt habe. Die beiden Jungs wollten nicht mit mir weiterreisen und das hat mich verunsichert. Ich fühlte mich zurückgelassen. Wir Menschen sind gerne in Gesellschaft, und ich habe bis dahin jede Form von Alleinsein vermieden. Deshalb habe ich ihn angerufen und gefragt, ob er kommen kann. Ich wollte dann eigentlich mit ihm zurückfahren. Die Zeit zusammen war schön und auch ermutigend, sodass ich es nochmal eine Woche alleine probieren wollte. Er ist solange im Land geblieben. Anschließend habe ich mich dazu entschieden weiterzufahren und er ist zurück.

UNIversalis: Du warst plötzlich in einer Situation, die du beim Start der Reise überhaupt nicht im Sinn hattest und auch nicht gewollt hättest – alleine unterwegs sein.

Anselm Pahnke: Absolut. Vielleicht ist es auch das, was die meisten Reisen bringen, wenn sie über einen gewissen Zeitpunkt gehen. Dann begegnet man wohl oder übel dem, dem man nicht begegnen will. Ich bin meiner größten Angst begegnet.

UNIversalis: Wie sah deine Ausrüstung aus? Was hattest du auf dem Rad alles dabei?

Anselm Pahnke: Wegen der kurzen Vorbereitung hatte ich am Anfang vor allem zu wenig dabei und dann irgendwann zu viel und dann hatte ich es wieder weniger werden lassen. Ich hatte mir in einem Second-Hand-Laden das einzige Zelt gekauft, das sie hatten, das war für drei Personen und zu schwer. Davon habe ich mich später wieder getrennt, als ich das Gefühl von Sicherheit, was es einem in der wilden Natur vermittelt, nicht mehr brauchte. Ich hatte eine Regenjacke, die ich eigentlich nie getragen habe, weil es während meiner Reise nur zweimal geregnet hat. Das Wichtigste war mein Benzinkocher. Außerdem hatte ich eine kleine Kamera, mit der Fotos und Filme entstanden sind, sowie ein Ladegerät für meinen Dynamo. Ich hatte ein Radio vorne am Rad, das war super für die Kommunikation: Jeder Mensch, der einen MP3-Player oder ein altes Handy hatte, konnte es mit einem Kabel anschließen, sodass wir zusammen tanzen oder uns zumindest bewegen konnten. Zum Gefühl der Verbundenheit mit den Menschen hat auch beigetragen, dass ich darauf verzichtet habe, Wasser zu kaufen. Ich bin dorthin gegangen, wo die Quellen sind, wo Menschen sich austauschen. Es entsteht auch ein gewisser Respekt, wenn die Leute sehen, dass ein vermeintlich wohlhabender Weißer ebenso an die Quelle kommt und fragt, ob er auch mittrinken darf. Da entsteht ein schönes Gefühl von Geben und Nehmen. Meine Nahrungsmittel habe ich immer selbst gekauft.

Minimal-Ausrüstung für den großen Trip © Mundologia Freiburg

UNIversalis: Mit wieviel Wasservorrat warst du unterwegs?

Anselm Pahnke: Ich hatte Karten dabei, mit denen ich Quellen ausfindig machen konnte. Oft habe ich aber gefragt und wusste dann, die nächsten 300 km kommt nur eine Wasserquelle. Um noch mehr Platz für Wasser zu haben, habe ich neben dem Zelt weitere Sachen verschenkt. Das Maximum was ich transportieren konnte, waren 28 Liter. 12 habe ich an einem heißen Tag zum Trinken gebraucht, noch einen halben Liter zum Kochen.

UNIversalis: Du bist dennoch einmal in eine Situation gekommen, in der dir das Wasser ausgegangen ist, aber die nächste Quelle noch nicht in Sicht war. In der Ferne war Rauch zu sehen, doch die Hoffnung, es könnte ein Dorf sein, wurde enttäuscht. Es handelte sich um Buschfeuer. Wie bist du damit umgegangen?

Anselm Pahnke: Das war für mich ein Nahtoderlebnis. Ich hatte an der Quelle davor mit Menschen gesprochen, die meinten, in 130 km kommt die nächste Quelle, wobei das Schätzwerte sind, die Menschen rechnen nicht mit Kilometern sondern sprechen von Fußweg. Sie sagten, da sind Menschen, die können dir ihre Wasserquelle zeigen. Diese Menschen sind jedoch weitergezogen. Ich habe mich entscheiden müssen ohne Wasser umzukehren oder weiterzufahren. Ich hatte zuvor schon ausgetestet, wie lange ich ohne Wasser auskomme. Ich habe mal einen Tag lang nichts getrunken und vier Tage lang nichts gegessen und geschaut, wie reagiert mein Körper. Es war also eine gewisse Unsicherheit da, aber auch Hoffnung, weil ich wusste, ich kann mindestens noch 14 Stunden weiterfahren. Ich habe mir gedacht, das werde ich schon überleben, bis dahin komme ich an Wasser. Und so war es auch.

UNIversalis: Stärken diese Grenzerfahrungen das Selbstbewusstsein und das Vertrauen in sich selbst und die eigenen Kräfte?

Anselm Pahnke: Diese Art der Selbstwirksamkeit, durch das eigene Handeln Effekte zu spüren, hat mir das Gefühl gegeben stark zu sein. Dieses bewusst etwas wegzustreichen, um das Leben lebendiger zu machen, hat mir nicht Angst gemacht, sondern zu mehr Vertrauen in meine Sinne, in meine Umgebung und in die Menschen geführt. Umso leichter ich unterwegs war, umso leichter kam ich in einen vertrauensvollen Kontakt. Auch zu mir selber. Ich habe gespürt, ich habe das meiste Wissen schon in mir. Wenig zu brauchen, kann total schön sein. Das hat alles viel intensiver gemacht. Ich würde nicht sagen, dass ich naiv unterwegs war, sondern immer mehr ausprobiert habe.

UNIversalis: Wie war es für dich, das erste Mal einem Elefanten in der Wildnis zu begegnen? Du warst ja nicht Teil einer geführten Safari-Touristengruppe, sondern bist alleine durch die Landschaften geradelt.

Anselm Pahnke: Ich war auf einer Straße unterwegs. Ich habe Schilder und den Kot der Tiere gesehen und wusste, dass ich ihnen begegnen könnte. Meine Sinne waren geschärft. Das Gefühl, hier könnte einer sein, hatte ich acht Tage lang. Das war fast noch spannender als der Moment, als er dann vor mir stand. Ich würde behaupten, Elefanten wie auch Menschen spüren eine Resonanz, spüren, ob Gefahr droht oder nicht. Wenn man in die Augen eines Elefanten schaut, dann ist da so eine Tiefe und dahinter ein unerklärlicher Raum, Wissen, eine Welt, in die man nie reinkommt. Ich habe bei diesen Tieren immer den Augenkontakt genossen, weil der tatsächlich auch gehalten wird. Das war total schön. Es ging mir nicht um die Größe oder die fantastische Bewegung dieser Tiere, sondern um dieses tiefe Wissen.

UNIversalis: Du hast auch Nilpferde zu Gesicht bekommen, die in Afrika als die gefährlichste Tierart gelten. Was war das für eine Begegnung?

Anselm Pahnke: Auch da, wie bei den Löwen, ist das eine Außenwahrnehmung. Wenn dieser Kontakt kommt, dann gibt es keinen Platz mehr für Fantasie. In dem Moment ist Erstaunen und Stille da. Im Rückblick weiß man, da hätte man nichts mehr machen können, weil der Moment so überraschend kam. Ich war für einige Zeit mit Peter, einem Briten, unterwegs. Wir hatten nicht mit Nilpferden gerechnet, die sind eigentlich tagsüber im Wasser. Wir wussten, dass man nicht zwischen Nilpferd und Fluss stehen darf, dann wird es unsicher, das ist der Moment, in dem es angreift. Nilpferde töten mehr Menschen als alle anderen Raubtiere und Großtiere in Afrika zusammen. Wir sind einfach stehen geblieben und haben dem Tier überlassen, sich zu entscheiden. Das war keine bewusste Handlung, es war ein Herzschlag und eine Entscheidung, die nicht bei mir lag. Wir waren erfüllt von Erstaunen, einer großen Achtung und Demut vor diesem Tier. Auch in dieser Situation ist alles gut ausgegangen.

UNIversalis: Du warst nicht nur auf geteerten Straßen unterwegs, sondern auch auf sandigen Böden. Musstest du über längere Distanzen das Rad auch schieben?

Anselm Pahnke: Es gab Etappen, da habe ich den ganzen Tag geschoben. 40 Kilometer war das Maximum. Manchmal auch nur fünf oder sechs, wenn ich auf Menschen getroffen bin und mich entschlossen hatte zu bleiben. Es war nicht mein Ziel schnell unterwegs zu sein, es ging um den Weg. Die schwereren Wege waren oft schöner und erlebnisreicher. So bin ich dann auch eher auf Besonderheiten gestoßen wie das Nilpferd oder eine Volksgruppe, mit der ich nicht gerechnet hatte.

UNIversalis: Du hast mal gesagt, dass die Willkürlichkeit deine Reise geprägt hat und zwar im Positiven. Willkürlichkeit bringe ich mit dem Gefühl des Ausgeliefertseins in Verbindung. Was verstehst du darunter?

Anselm Pahnke: Wir versuchen die Willkürlichkeit des Lebens zu stoppen. Wir erfinden Versicherungen und versuchen den Status Quo zu behalten. Ich habe unterwegs erlebt, dass alles stets im Wandel ist. Umso mehr ich mich diesem Wandel aussetze und mitfließe, umso leichter wird mein Leben. Zuhause habe ich versucht Mauern zu bauen, Fenster, die ich bewusst nur öffne, wenn ich will. In Afrika konnte ich keine Türen mehr schließen. Anfangs habe ich noch versucht, so wie zu Hause, quasi alles so zu behalten wie es ist. Meine Freunde sollten bleiben, die schöne Straße sollte bleiben. Irgendwann habe ich realisiert, das nichts bleibt, wie es ist. Und mich dieser Willkür auszuliefern, ist im Grunde das, was das Leben ausmacht. Die Bereitschaft mit dem Fluss zu gehen, hat für mich dann das Leben so wohlig werden lassen, so fröhlich, so schön.

UNIversalis: Also die Kontrolle abgeben und sich dem öffnen, was kommt.

Anselm Pahnke: Die Kontrolle abgeben ist das eine, da würde ich aber sagen, das ist eine bewusste Entscheidung. Vielmehr ist es die Hingabe, das Einlassen, Loslassen und Zulassen. Auf dieser Reise war eigentlich nur wichtig, was in meinem Sichtfeld passierte.

UNIversalis: Das erinnert mich an Achtsamkeit, also die Fähigkeit, im Hier und Jetzt zu sein und zwar nicht nur körperlich, sondern auch mental.

Anselm Pahnke: Das ist ein schöner Hinweis. Wenn man die Veränderung im Jetzt beobachtet, spürt man diese Lebendigkeit, diese Spannung. Ich habe bei mir gemerkt, wenn ich mich bewusst auf den Moment konzentriere, verschwinden die Grundmuster der Vergangenheit. Es ist so viel leichter, das Vergangene mit dem Jetzigen zu überspielen. Es geht auch darum, mit dem Suchen aufzuhören. Auf Reisen und im Leben suchen wir nach Dingen, die wir kennen oder die wir uns wünschen. Wenn man damit aufhört, beginnt das Finden. Ich denke, dass ist bei Achtsamkeit auch so. Man ist immer wieder überrascht darüber, was gerade da ist, womit man nicht gerechnet hat. Ich habe viele Antworten gefunden, auf die ich mir nicht mal Fragen hätte ausdenken können. Diese Art der Achtsamkeit löst in mir Zufriedenheit aus.

UNIversalis: Du bist durch sehr unterschiedlich dicht besiedelte Gebiete gekommen. Wie haben die Menschen auf dich reagiert?

Anselm Pahnke: Oft so, wie ich drauf war. Am Anfang dachte ich, man, die sind alle so verschlossen. Rückblickend weiß ich, dass ich es war, der verschlossen war. Sobald ich mich jedoch auf den Kontinent und die Veränderungen eingelassen hatte, konnte ich mich auch öffnen und sie an mich heranlassen. Von da an waren die Begegnungen durchweg positiv. Auch als ich krank war, Malaria und Typhus hatte, oder wenn ich mich mal wieder einsam fühlte, wussten sie, wie sie mir helfen konnten. Es gibt in Afrika ein Sprichwort: Die beste Medizin für den Menschen ist der Mensch.

UNIversalis: Durch dein Studium kanntest du dich theoretisch gut aus mit den klimatischen Bedingungen in der Sahara, mit den Winden. Wie war es ganz real mittendrin zu sein?

Anselm Pahnke: Das war eine interessante Erfahrung, weil ich dachte, ich wüsste, was auf mich zukommt. Das ist oft so, wenn man theoretisch über Dinge liest. Und dann ist es irgendwie doch ganz anders, als man es sich in der Fantasie ausgemalt hat. Die Winde sind nachts und tagsüber kräftig. Es war eine große Herausforderung, wochenlang gegen den Wind zu fahren. Ich wäre daran gescheitert, hätte ich den Wind als Feind wahrgenommen, statt mich mit ihm zu verbünden. So war es für mich irgendwann in Ordnung, nur 10 oder 12 km/h zu fahren und dem Wind mit einem Lächeln zu begegnen. Es gab gute und schwere Tage, ich hatte aber immer das Gefühl, hey, ich mache das hier freiwillig, ich habe mir das so ausgesucht.

UNIversalis: Du bist bei deiner Fahrt durch den Sudan bei den Pyramiden von Meroe gewesen, die zum Weltkulturerbe gehören. Wie fühlt es sich an zwischen diesen uralten Bauten zu stehen und dort sogar zu übernachten?

Anselm Pahnke: Das war aufregend. Ich war zum zweiten Mal in einer Wüste und diesmal war die Einsamkeit nicht mehr schlimm. Ich fühlte mich wohl und war glücklich mit mir selbst. An verlassenen Orten habe ich mir nicht mehr gewünscht auf Menschen zu treffen. So ist einfach der Rhythmus der Zeit. Hier waren mal Menschen, nun sind sie weg und auch ich werde hier wieder gehen. Es hatte etwas sehr Tiefes, dieser Fluss, Dinge kommen und gehen. Nun sind nur noch die steinernen Überreste zu sehen. Als die Nacht kam und man von den Pyramiden nur noch die Silhouetten gegen den Sternenhimmel sah, entstand in mir ein großer Respekt und eine Ehrfurcht vor der Vergangenheit und vor der Zukunft. Ich fühlte mich winzig, wie ein Sandkorn, in dieser riesigen Wüsten- und Steinlandschaft.

UNIversalis: Was sind für dich die wichtigsten Erfahrungen dieser Reise?

Anselm Pahnke: Bei Entscheidungen mutig zu sein. Viele Leute verbinden meine Reise mit dem Rad durch Afrika mit Mut. Mir ist klar geworden, dass vor allem auf mich selbst zu hören und das zu tun, was ich selbst möchte, eine sehr mutige Entscheidung sein kann. Auch wenn andere anders entschieden hätten und man Gefahr läuft, deshalb nicht gemocht zu werden. Um glücklich zu sein, muss man das aushalten können. Ich habe mehr Selbstvertrauen und kann so leichter meinen eigenen Weg gehen. Die zweite wichtige Erfahrung, die ich gemacht habe, ist die Langeweile. In die lange Weile zu kommen, gibt mir die Möglichkeit, zu erfahren, was es gerade für Stimmungen und Gefühle in mir gibt. Die Fülle an Eindrücken ist groß, es gibt kaum noch leere Räume für Menschen. Ständig haben wir das Handy in der Hand, hören zwischenrein Pod­casts. Immer muss man sich beeilen und schneller werden. Wann hört man sich selbst mal zu und kommt in die Stille? Man kann sich fragen, was uns dieser ganze technische Fortschritt gebracht hat, wenn er uns Menschen eigentlich nicht guttut.

UNIversalis: Vielen Dank für das Gespräch!

Über ein Jahr war Anselm Pahnke von Südafrika bis Ägypten unterwegs. Live erleben und seine ganze Geschichte hören, kann man am Sonntag, den 5. Februar 2023 um 14:30 Uhr im Konzerthaus Freiburg. Alle Informationen zu seiner Live-Reportage, Tickets und weitere Programmpunkte des 19. MUNDOLOGIA-Festivals unter www.mundologia.de

Bildquellen

  • Anselm Pahnke: © Mundologia Freiburg
  • Minimal-Ausrüstung für den großen Trip: © Mundologia Freiburg
  • Unterwegs mit dem Fahrrad von Südafrika bis Ägypten: Anselm Pahnke: © Mundologia Freiburg