Herbstlaub zur Irisblüte: Im Haus der Graphischen Sammlung werden japanische Fotografien aus dem 19. Jahrhundert gezeigt

„Erinnerungen schaffen“ ist nicht der schlechteste Titel für eine Ausstellung, die sich mit japanischer Fotografie im 19. Jahrhundert befasst. Mehrere historische Inserate von Fotografen sind im Haus der Graphischen Sammlung des Augustinermuseums in Freiburg zu sehen. Sie alle haben in Yokohama gearbeitet und ihre Aufnahmen angeboten. Auch ein Leporello mit handkolorierten Szenen, darunter Landschaften, Aufnahmen von Frauen, die sich in Rikschas fahren lassen oder von Lastenträgern, ist in einer Vitrine ausgebreitet.
Es ist kein Zufall, dass die Fotografie in Yokohama derart boomte, die Stadt in der Nähe von Tokio war sozusagen das Einfallstor des Westens. 1853 hatte der Amerikaner Matthew Perry mit seinen Kriegsschiffen hier eine Öffnung des Landes erzwungen. Sechs Jahre später entstand bei Yokohama ein Seehafen, der zum Umschlagplatz für den internationalen Handel wurde. Es wurden Siedlungen für Ausländer gebaut und erste Firmen ließen sich hier nieder. Viele Reisen ins Land nahmen hier ihren Ausgang. Doch bevor die ausländischen Touristen aufbrachen, deckten sie sich mit Fotos ein, die oftmals auch von Europäern und Amerikanern gemacht wurden. Die Fotos wurden zu Reiseführern, die die Sicht auf das Land prägen sollten. Der Handel mit ihnen florierte. 1848 gelangte die erste Daguerreotypie-Kamera nach Japan, in den 1870er Jahren setzte sich das Gelatineverfahren für Negative durch. Schnell wurde das Reisen zu einem Wettlauf gegen die Verwestlichung des Landes, wer sich aufmachte, es zu erkunden, suchte das authentische Japan, das es so längst nicht mehr gab. Die Fotos, die in Yokohama verkauft wurden, entsprachen diesem verklärenden Blick auf das Land und sie waren Teil des Paradox. Denn das neue Medium reproduzierte einerseits die Ästhetik von Holzschnitten, die nicht wenig zum Mythos Japans beigetragen hatten. Andererseits konnten die Aufnahmen nur deshalb eine so hohe Qualität haben, weil die Fotografen mit japanischen Kunsthandwerkern zusammenarbeiteten.
Es ist bereits die zweite Hängung von japanischen, handkolorierten Fotografien aus den Jahren 1860 bis 1890, die im Haus der Graphischen Sammlung gezeigt werden und die aus der Ethnologischen Sammlung des Museum Natur und Mensch stammen. Die thematischen Schwerpunkte der Auswahl liegen auf Landschaften, Interieurs und Tempelstädten, es sind romantische Konstruktionen, die das Exotische vervielfältigen. Viele Ansichten von Mount Fuji sind zu sehen, oft mit Kieferzweigen und Seen. Der Eindruck von Nostalgie verstärkt sich durch die vielen Herbststimmungen, die diese Aufnahmen wiedergeben. Das Laub des Ahorns ist blutrot, sogar auf Fotos, die die Irisblüte abbilden. Nicht weniger aufwändig koloriert sind die Kimonos der Frauen, die sich für die traditionelle Begrüßung tief verbeugen oder die musizieren. Auf einer anderen Aufnahme, die eine Teeplantage zeigt, sind die Pflücker zu bunten Punkten geworden. Vielfach waren die Tempel und die Landschaften derart pittoresk, dass sie beliebte Reiseziele wurden, was sie wiederum zu populären Fotomotiven machte.

Erinnerungen schaffen. Japanische Fotografie. Haus der Graphischen Sammlung, Salzstr. 34, Freiburg. Bis 28. April.

Bildquellen

  • Unbekannt: „Morgennebel am wolkenverhangenen Fuji“,1860-1880: Foto: Axel Killian