Ein nicht enden wollender Kraftakt: Sharon Eyal und Marcos Morau mit „Salt Womb“ und „Forest Fires“ in Basel

Laut Programm bewegt sich die Ballett-Compagnie in „Salt Womb“ als Ganzes wie eine Maschine. Und wirklich: im 1. Bild dieses Stückes mit dem enigmatischen Titel stehen die Tänzer und Tänzerinnen des Basler Balletts in einem großen Halbkreis, der zu Ende gedacht wie ein Zylinder wirkt, in dessen Mitte sich ein riesiger Kolben auf und ab bewegt. Die Körper der Tänzer:innen, die sich breitbeinig stehend immer wieder auf und ab bewegen, wirken wie gefangen in einem nicht enden wollenden Kraftakt: die minutenlange, fast stoische Wiederholung einer einzigen Bewegung zu hämmernden Technobeats hat tatsächlich etwas Inhumanes… Nach und nach formieren sie sich zu einer pulsierenden Gruppe in Dauerbewegung, zu einem unheimlich wirkenden Superorganismus, aus dem sich einzelne Tänzer:innen in kurzen Solopassagen herauslösen, aber immer wieder vom Sog des Gruppenpulses aufgesogen werden. Mit kleinen Akzenten wird der Groove abgewandelt und immer fortgeführt: mal beide Hände auf das Herz haltend, das so laut zu schlagen scheint, dass es zu platzen droht – vom unerbittlichen Technobeat vorangetrieben, laufen sie und kommen doch nicht voran. Die Tänzer wirken immer mehr wie eine gleichgeschaltete Gruppe, die einem unheimlichen Gleichklang Folge leistet. – Ein Hinweis auf die fortschreitende Technikabhängigkeit unserer Gesellschaft – oder doch eher ein Bild von Menschen, wie postapokalyptisch auf der Flucht? Der Interpretationen gibt es viele – beklemmend gerade jetzt auch die Koinzidenz mit den Bildern der flüchtenden Menschen aus der Ukraine und den verstörenden Bildern der Verwüstung! Sharon Eyal trifft mit ihrem Team einen Nerv der Zeit, sicher ohne es geplant zu haben, denn das Stück hatte sie zusammen mit Gai Behar und dem israelischen Musiker/DJ Ori Lichtik schon in 2016 für das Nederlands Dans Theater choreografiert und hier in Basel in einer auf 21 Tänzer:innen erweiterten Form präsentiert. Der Eindruck ist überwältigend, die Leistung des Ensembles phänomenal, das Publikum am Ende in Trance versetzt …
Im zweiten Teil des Abends widmet sich gleichsam als dramaturgischer Kontrapunkt der spanische Choreograf Marcos Morau den menschlichen Gefühlen, den Höhen und Tiefen des menschlichen Seelenlebens zu den poetischen Songs von Nick Cave. – Es ist ein sehr interessantes Programm, das noch weiterhin im Schauspielhaus präsentiert wird: die nächsten Termine sind: 10./ 13./ 21./ 22./ 30.5. und 26.6. 2022. –
Die nächste Premiere von Chefchoreograf und Ballettdirektor Richard Wherlock widmet sich der urschweizer Geschichte von „Heidi“ – frei nach Johanna Spyri und hat am 6.5.22 auf der Großen Bühne des Basler Theaters Premiere. (siehe Interview mit Richard Wherlock). Die weiteren Termine von „Heidi“ sind: 9./ 11./ 14./ 19./ 25./ 27./ 29.5. und 3./ 18./ 20./ 24.6. 2022.
Fazit: schnell nach Basel fahren und sich diese unglaublich vielseitige Company mit den nächsten Produktionen anschauen! Noch diese und nächste Spielzeit unter der künstlerischen Leitung von Ballettdirektor Richard Wherlock, der das Baseler Ballett zu großen Erfolgen geführt hat.

Weitere Infos: www.theater-basel.ch/de

Bildquellen

  • Das Ensemble des Basler Balletts in Sharon Eyals „Salt Womb“: ©Ingo Hoehn