Die Chefin: Jutta Götzmann, neue Direktorin der Freiburger Museen, im großen Interview

In den letzten Jahren war es nicht so einfach mit den Personalia bei den Freiburger Städtischen Museen. Es kam 2008 Tilmann von Stockhausen als Direktor, damals von der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten in Potsdam. Für Marketing war er dort zuständig gewesen, wirkliche Ausstellungserfahrung als Kurator besaß er zuvor nicht. Und während seiner Amtszeit dominierte zudem das Dauerthema der Sanierung des Augustinermuseums. Nach seinem unerwarteten Weggang wählte der Gemeinderat auf Vorschlag einer Findungskommission die Kunsthistorikerin Jutta Götzmann, bei der sich das tatsächlich anders darstellt. Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach nannte die Gründe für die Entscheidung: „Hohe Fachlichkeit, Führungsstärke, viel Erfahrung. Frau Götzmann war Gründungsdirektorin des Potsdam Museums, hat also auch einen kommunalen Hintergrund. Sie hat in allen Bereichen überzeugt.“ Wir fragten die neue Chefin gern selbst. Seit März dieses Jahres ist sie im Amt. Das Gespräch führte Martin Flashar.

Kultur Joker: Liebe Frau Götzmann, waren Sie jemals zuvor in Freiburg?

Götzmann: Ja, mehrfach: zuerst im August 1989 und somit noch vor Beginn meines Studiums. Ich war begeistert von der Schönheit und Atmosphäre der Stadt und von der Lage im Dreiländereck. Als Münsteranerin ist mir natürlich auch sofort aufgefallen, dass Freiburg eine fantastische Fahrradstadt ist.

Kultur Joker: Mit welcher Erwartung kamen Sie nach Freiburg? Warum haben Sie sich eigentlich beworben?

Götzmann: Nach 14 Jahren in Potsdam hatte ich den Wunsch nach einer beruflichen Veränderung. Zufällig las ich die Ausschreibung und erfuhr vom Weggang des bisherigen Direktors Tilmann von Stockhausen nach Lübeck. Die Freiburger Museumslandschaft war mir vertraut, ich hatte als Jurorin der Kulturstiftung des Bundes im Rahmen des Förderprojekts „Stadtgefährten“ 2017 für die Ausstellung „Freiburg sammelt“ gestimmt. Meinen Vorgänger habe ich 2019 nach Potsdam eingeladen, um über die Sanierung des Augustinermuseums und das neue Kunstdepot zu sprechen. Dass es hier in Freiburg geklappt hat, freut mich sehr. Und: Ich habe als Kunsthistorikerin meine Wurzeln in der Alten Kunst, kenne mich aber auch im 19. Jh. sehr gut aus, weshalb die qualitätvolle Sammlung des Augustinermuseums für mich ein besonderer Magnet ist. Ein weiterer Antrieb war das breite Spektrum an Museen, die als städtisches Amt organisiert sind.

Kultur Joker: Also war auch der Museumsverbund mit fünf, bald sechs Häusern für Sie auschlaggebend?

Götzmann: Unbedingt. Die Vielzahl der Museen und Sammlungen von der Archäologie über die Stadtgeschichte, die Naturkunde und Ethnologie bis zur modernen Kunst haben zusammengenommen das Profil eines Universalmuseums. Künftig ergänzt um das Dokumentationszentrum Nationalsozialismus, das eine wichtige Lücke füllt. Ich freue mich schon heute über die gute und impulsgebende Zusammenarbeit. Es wäre schön, künftig auch größere themenübergreifende Ausstellungen zu machen, die mehrere Museen inhaltlich verbinden.

Das Lieblingsmuseum, die besondere Ausstellung
Kultur Joker: Würden Sie das Augustinermuseum als eines Ihrer kommunalen Lieblingsmuseen bezeichnen?

Götzmann: Auf jeden Fall – neben dem Frankfurter Liebieghaus in der historistischen Villa am Schaumainkai.

Kultur Joker: Sie kennen Ihren Vorgänger Herrn von Stockhausen gut. Wieso haben Sie beide Potsdam als vorangehende berufliche Station – ist das ein Zufall?

Götzmann: Ja, ich denke schon, aber es spricht natürlich auch für Freiburg, dass es uns beide in den Südwesten gezogen hat.

Kultur Joker: 2008 wurden Sie Gründungsdirektorin des Potsdam Museums: Welche der von Ihnen kuratierten Ausstellungen ist Ihnen da am meisten ans Herz gewachsen?

Götzmann: Ein Herzensprojekt war die Ausstellung „Umkämpfte Wege der Moderne“, die ich 2018 kuratiert habe. Im Zentrum stand der Schweizer Maler und Architekt Wilhelm Schmid, der als Wahlpotsdamer 1918 in Berlin zu den Initiatoren der sogenannten Novembergruppe zählte. Sie bezeichneten sich selbst als „Revolutionäre des Geistes“. Kunst in der Krise und an Zeitenwenden finde ich ein spannendes Thema. Das Projekt damals, kurz vor der Pandemie, stand unter dem Obertitel „Clash of Futures“ und wurde vom Deutschen Historischen Museum in Berlin mit weiteren Partnern in Prag, London und Brüssel ins Leben gerufen.

Kultur Joker: Haben Sie eine Idee, was Ihre Hauptaufgaben sein werden in Freiburg?

Götzmann: Die Begleitung des Augustinermuseums und des Dokumentationszentrums bis zur Eröffnung sind zwei zentrale Aufgaben. Die Digitalisierung müssen wir weiter sinnvoll ausbauen und das Ausstellungsprogramm entwickeln. Mir geht es auch darum, eine Zukunftsstrategie für die Städtischen Museen Freiburg zu entwickeln und Aspekte wie Inklusion, Diversität, aber auch Nachhaltigkeit mitzudenken. Zudem ist es wichtig, mit unseren Inhalten möglichst viele Menschen zu erreichen.

Kultur Joker: Aber von Stockhausen wird doch mit einer Aussage bei der von Ihnen organisierten Potsdamer Tagung 2019 zitiert: „Ausstellungen für die Masse, solche mit enormen Besucherzahlen, würden den Museumsbetrieb durcheinanderbringen“. Ist das nicht ein Widerspruch? Sie sehen das offenbar anders?

Verantwortung für das Kulturerbe und Pläne für die Zukunft
Götzmann: Die Inhalte sollten grundsätzlich das Ausstellungsprogramm bestimmen, wie er bin auch ich nicht Anhängerin von reinen Blockbuster-Ausstellungen. Aber natürlich wollen wir unser Kulturangebot auf die Besucherinnen und Besucher abstimmen und möglichst viele ansprechen.

Kultur Joker: An diesem Punkt möchte ich noch einmal nachhaken: In der Meinung der Mehrheit der BürgerInnen, die halt nicht kunst-affin sind, bedeuten Haushalte für kulturelle Zuschussbetriebe ein Problem. Wie entgegen Sie dem?

Götzmann: Wir tragen eine hohe Verantwortung für unser Kulturerbe, das wir auch den nächsten Genrationen zur Verfügung stellen möchten. Kultur und Bildung sind eng verzahnt, essenziell für unsere Gesellschaft und unser Wertesystem und eine Stärkung unserer Demokratie. Als Museumsleitung kann ich Ihnen nur versichern, dass wir mit unseren Finanzen haushalten, aber kulturelle Bildung lässt sich nicht eins zu eins aufrechnen.

Kultur Joker: Was sind Ihre Werkzeuge der Erweiterung des Wirkungsgrads der Städtischen Museen?

Götzmann: Ich möchte zunächst die Reichweite der Städtischen Museen Freiburg im Dreiländereck vergrößern. Ich bin seit Anfang Juni Mitglied in der Fachkommission des Museums-PASS-Musées und knüpfe entsprechende Kontakte. Aber unser Radius sollte mit gezielten Maßnahmen auch darüber hinausgehen.
Zugleich bedarf es einer stärkeren Beteiligung vor Ort. Das Spektrum der Sammlungen ist ein bislang nicht ausgeschöpftes Potenzial. Um die Museen gezielt auszurichten, benötigen wir eine klare Kenntnis über die Menschen, die uns besuchen. Daher möchte ich den Ist-Zustand evaluieren, möglichst nicht durch eine teure externe Agentur, sondern gern in universitärer Kooperation.

Ein Neubau für das Museum für Neue Kunst?
Kultur Joker: Was könnte eine Vision sein? Etwa ein neues Haus für das Museum für Neue Kunst?

Götzmann: Ich setze mich gerne für das Museum für Neue Kunst ein und sehe den Handlungsbedarf. Die jetzigen Räume sind klimatisch nicht optimal: Das betrifft neben der eigenen Sammlung auch Leihgaben-Gesuche. Darüber hinaus bleiben die Volumina der Flächen, aber auch deren Qualität teilweise defizitär.
Nur wird die Stadt Freiburg realistischerweise vor Abschluss der Sanierung des Augustinermuseums und der Fertigstellung des NS-Dokumentationszentrums keine weiteren Bau-Vorhaben im musealen Bereich schultern können. Das ginge wohl nur durch privates Mäzenatentum.

Kultur Joker: Sie haben sich auch für Kunst im Öffentlichen Raum eingesetzt. Als Vorsitzende eines solchen Beirats in Potsdam organisierten Sie 2013 den „Walk of Modern Art“ und betreuten ihn dort bis 2021. Wie sehen Sie die Situation in Freiburg?

Götzmann: Die Kunst im öffentlichen Raum ist enorm wichtig und erreicht auch Menschen, die selten ein Museum besuchen. Die Skulptur Projekte Münster haben mich lange begleitet und mit großem Engagement habe ich mich für die Kunst im Stadtraum engagiert. Hier in Freiburg ist das Kulturamt für Kunst im öffentlichen Raum zuständig.

Wendepunkte der Kunst als Thema
Kultur Joker: Verraten Sie uns doch bitte, was Ihre nächsten Projekte sein werden.

Götzmann: Gerne. Im Frühjahr 2024 wird es eine große Ausstellung zum Thema der frühen Renaissance in Italien geben, mit Namen wie Sandro Botticelli und Fra Angelico. Das ist eine wunderbare Kooperation mit dem thüringischen Lindenau-Museum in Altenburg, das eine herausragende Sammlung italienischer Malerei beherbergt.

Kultur Joker: Ich frage nach einer Eigenproduktion.

Götzmann: Nun die eigenen Anteile sind auch bei dieser Sonderausstellung nicht gering.
Des Weiteren sind zwei monographische Ausstellungen vorgesehen. Die größte Energie wird aber für die finale Phase bis zur Eröffnung des Augustinermuseums erforderlich sein, voraussichtlich Ende 2025. In einer längeren Perspektive wollen wir uns dann markanten Wendepunkten der Kunst und Geschichte am Oberrhein widmen. Der Ausgang der Gotik und die beginnende Renaissance stehen gleichermaßen für einen Zeitenwechsel und eine kulturelle Blüte.

Kultur Joker: Liebe Frau Götzmann, ich danke sehr für das informative Gespräch und wünsche viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.

Bildquellen

  • Dr. Jutta Götzmann: Foto: Patrick Seeger