„Das Versprechen“ nach Friedrich Dürenmatt am Theater Basel

Der Riese im Wald

Friedrich Dürenmatts dritter Kriminalroman strapaziert die Logik des Genres: Der Fall wird nicht aufgeklärt und der Täter wird nur durch Zufall bestraft. Nora Schlockers Inszenierung am Theater Basel ist kurzweilig und handwerklich gut gemacht.

Als wären wir gar nicht da. Die Kinder spielen Fangen, Verstecken und Wer hat Angst vorm schwarzen Mann. Transparentes Plexiglas bildet im Schauspielhaus des Theater Basel einen Korridor (Kostümbild: Marie Roth).

Es ist die Mädchen- und Knabenkantorei Basel, die hier herumtollt und die in Nora Schlockers Inszenierung von Friedrich Dürrenmatts „Das Versprechen“ nicht nur vor Augen führt, wer das Opfer der verhandelten Verbrechen ist, sondern die auch den musikalischen Unterton beisteuert (Komposition: Marcel Blatti).

„Das Versprechen“ ist jener Kriminalroman Dürrenmatts, den er im Anschluss an das Drehbuch zu „Es geschah am helllichten Tag“ schrieb. Er erscheint 1958. Dürrenmatt hat mit „Das Versprechen“ ein „Requiem auf den Kriminalroman“ verfasst, wie es im Untertitel heißt. Sein dritter Krimi torpediert die Logik des Genres, indem der Fall nicht nur nicht aufgelöst, sondern der Täter durch einen Zufall gerichtet wird. Das jedoch wird Carina Braunschmidt als herrische Alte ganz am Ende auf verstörende Weise gegenüber ihrer Pflegerin enthüllen. Da jedoch interessiert sich schon niemand mehr für den Fall und Kommissar Matthäi (Michael Wächter) ist längst abgerutscht.

In dieses Dorf bei Zürich, muss der schwarze Mann nicht mehr kommen, er war schon da. Gritli – lange blonde Haare, rotes Kleid – ist sein Opfer. Mit durchgeschnittener Kehle liegt es auf dem Waldboden, die Polizei Zürichs steht um die Leiche. Nur einer schaut hin: Kommissär Matthäi. Obgleich er kurz vor dem nächsten Karriereschritt steht, wird er sich in diesen Fall hineinbeißen und der Mutter an der Leiche der Tochter und bei seinem „Seelenheil“ versprechen, den Täter zu finden. Den Hausierer von Gunten (Steffen Höld), der beim Gritli aufgegriffen wurde, hält er für unschuldig. Auch wenn dieser nach dem mehr als robusten Verhör seines Nachfolgers Henzi (Urs Jucker) erst gesteht, dann in der Zelle Selbstmord verübt.

Von 1958 bis heute hat sich der Kriminalroman entwickelt. Nicht allein was die technischen Möglichkeiten der Überführung angeht, der Betrachter ist geübter im Kombinieren, im Erdenken menschlicher Abgründe. „Das Versprechen“ wirkt da heute holzschnittartig. Hinzu kommt, dass Dürrenmatt insbesondere der Leitung der Kantonspolizei viel Welterklärendes auf den Leib geschrieben hat. Da ist vom Recht auf Helden und auf ein Happy End der Bevölkerung zu hören sowie von der Nutzlosigkeit, das Polizeinetz enger zu knüpfen in der Hoffnung, damit das Verbrechen beseitigen zu können.

Das klingt zwar wieder vertraut und erinnert an aktuelle Debatten über innere Sicherheit, aber es wirkt dennoch so als predigte Dürrenmatt hier sein Unbehagen über das Genre und die naiven Erwartungen. Selbst bei Cathrin Störmer, die im hellen Staubmantel über die Bühne schreitet, klingt das dann sehr bedeutungsschwer. Keine Frage, wie jedes Rätsel, so ist auch „Das Versprechen“ spannend. Doch warum es jetzt auf dem Spielplan des Theater Basel steht, erschließt sich nicht – auch wenn Schlocker daraus einen handwerklich guten und kurzweiligen Abend macht.

Aus der Glasfront wird irgendwann ein Wald mit Riesen, gemalt von den Kindern und abgeleitet von der Zeichnung, die Gritli von ihrem Mörder gemacht hat. Die Erwachsenen agieren davor und dahinter rastlos, getrieben von ihren Gespenstern oder ihrem Pragmatismus. Innerhalb der Gesellschaft wird Matthäi immer mehr zum Außenseiter, der sich mit einer Prostituierten einlässt, allein um deren Kind als Lockvogel für den Mörder zu benutzen.

Das ist das eigentlich Ungeheure an dieser Ermittlerfigur. Er stellt die Frage, wie weit wir gehen, um unsere Dämonen zu fangen. Oder wie groß die Riesen wirklich sind.

Was: Schauspiel „Das Versprechen“ von Friedrich Dürenmatt
Wann: 6./13./21./23./31. Dezember 2018; 6./24./26. Januar 2019
Wo: Theater Basel, Schauspielhaus, Steinentorstr. 7, 4051 Basel
Web: www.theater-basel.ch

Bildquellen

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