Witzig, spritzig, überraschend: Das Theater Harrys Depot zeigt den „Sommernachtstraum“ als Openair in der Spechtpassage

Zwei Mal bleiben sie beim herrschaftlichen Auftritt in der Türe stecken – der Athener König Theseus (Dominik Berberich) und die von ihm entführte Amazonentochter Hippolyta (Mia Sanner), letztere scheint wenig begeistert von der anstehenden Hochzeit mit dem lauten Lüstling im Hodenschutz (Kostüme: Katja Weeke). Es ist nur einer von vielen kleinen und großen Gags, mit denen Regisseurin Barbara Zimmermann vom Theater Harrys Depot ihren Openair-„Sommernachtstraum“ aufpeppt.

Die Kulisse in der Spechtpassage ist lauschig bei aller Reduktion: Das Publikum sitzt um Tische, ein riesiges Waldfoto steht auf der Holzbühne, es gibt immergrüne Topfbäume und einen schwarzen Vorhang für Auf-und Abgänge. Denn Shakespeares märchenhafter Komödienklassiker spielt hauptsächlich nachts im Wald – dort tummeln sich nicht nur versprengte Liebespaare, sondern auch ein schräges Theaterstück probende Handwerker und dazu noch Drolle und Elfen. Viel Stoff für bizarre Begegnungen, Verwicklungen und Zauberei. Wieder einmal arbeitet Barbara Zimmermann kreativ mit dem Originaltext: Belässt den Shakespeares Duktus, reimt aber auch verspielt weiter und streut Jugendsprech und viel Wortwitz.

vlnr: Simon Matt als Demetrius und Juliane Flurer als Helena © Tim Hà, Theater Harrys Depot

Doch erstmal gibt es kernige Patriarchensprüche: „Der Vater sei dir wie ein Gott, der dich geprägt gleich einer Wachsfigur“, droht Theseus der unglücklichen Hermia (blondbezopftes Dirndlmädchen: Maya Kenda), die mit dem schmierigen Möchtegern-Gangsta-Rapper Demetrius (Simon Matt) zwangsverheiratet werden soll, obwohl sie doch Lysander (Jakob Stöckeler) liebt. Also plant das Paar die Flucht. Hermias Freundin Helena (Juliane Flurer) wiederum ist unsterblich in „Demi“ verknallt, dem sie komplett egal und sogar mega lästig ist. „Hi, ihr Lieben“ bloggt sie trotzdem munter mit dem Smartphone für ihre Fangemeinde, was zu jeder Menge komischer Situationen führt – genauso wie das Clown-Quartett der extradoofen Handwerker (Simon Matt, Jakob Stöckeler, Kevin F. Cabral Rocha, Sebastian Götz), das für die Königshochzeit die „tief tragische Komödie von Pyramus und Thisbe“ probt. „Jo!“ skandieren sie synchron und rumpeln körperstark im Viererpack über die Bühne.

Rasanter Kostümwechsel und Auftritt der Elfenkönig Oberon (Dominik Berberich mit Knallfrosch um den Hals), der sich mit seiner Frau Titania (Mia Sanner) wegen des „Schmusiflauschis“ verstritten hat. Das will er unbedingt zurück – und dafür braucht er den Droll (Melchior E. Meyer) und eine Zauberblume. Ihre Wirkung: „Was du siehst, wenn du erwachst, liebst du gleich mit aller Macht“. Weil dieser Puck nicht der Hellste ist, gibt´s Liebeschaos gleich hoch drei. Auf engstem Raum wird nun gelispelt und geschnarcht, es gibt Mundfürze, alberne Reime („Blattspinat – Wurstsalat“), flotte Sprüche („Ja, ich kann auch richtig witzig sein, wenn´s drauf ankommt!“) und jede Menge Running Gags. Dazu noch lüsternen Liebesrausch mit Schluckauf und unkontrollierten Zuckungen, mit Geschmachte, Herzschmerz, rammelnden Lovern und Eifersuchts-Schlägereien. Denn „Verliebte sind von brausendem Gehirn“ und „Amor steckt von Schalkheit voll!“.

Die jungen Schauspieler*innen sind kongenial besetzt und laufen bestgelaunt zu Hochform auf, der Sounstrack von Ephraim Wegner ist stimmungsvoll. Witzig, spritzig, überraschend – ein großer Spaß über zwei Stunden lang – auch für Nicht-Shakespeare-Fans. Perfektes Sommertheater.

Weitere Termine: 26./27./28./30. Juli – jeweils 20:30 Uhr, Openair in der Spechtpassage. Kartenreservierung: T. 01577 -97 09 269. info@ensemble-harry.de

Bildquellen

  • vlnr: Simon Matt als Demetrius und Juliane Flurer als Helena: © Tim Hà, Theater Harrys Depot
  • vlnr: Kevin F. Cabral Rocha als Elfe Motte, Melchior E. Meyer als Kobold Droll, Sebastian Götz als Elfe Spinnweb: © Tim Hà, Theater Harrys Depot