Wie sich der Künstler Tom Brane das kulturelle Leben in Freiburg 2030 vorstellt

Ohne Leuchtreklame und Filialisten

Einschätzungen über gesellschaftliche Entwicklungen aus dem Mund Kulturschaffender sollte man anhören: Im günstigen Fall erweisen sie sich als sensible Spürnasen für Missstände und Innovationen. Martin Flashar sprach mit dem Künstler Tom Brane über die Freiburg Kulturlandschaft, die Gemeinderatswahlen und das Stadtjubiläum.

Kultur Joker: Du bist ja vor fünf Jahren bei der Kommunalwahl nicht angetreten, um ins Stadtparlament gewählt zu werden…

Tom Brane: Nein, ich wollte einen Blick hinter die Kulissen wagen, um Kulturvorgänge zu verstehen und eventuell Dinge zu verändern, die mir schon vor zehn Jahren für die kulturelle Entwicklung der Stadt als nicht effektiv erschienen. Ich habe nach wie vor die Ansicht, dass Kultur in Freiburg primär für einen Insiderkreis gemacht wird.

Kultur Joker: Was meinst Du damit?

Tom Brane: Nehmen wir als Beispiel den Kunstverein. Nach meinem Eindruck sind die Ausstellungen dort meist etwas für eine kleine Gruppe sich untereinander kennender Kunst­intellektueller; mir erscheint das zu verkopft, zu elitär. So bleibt ein großer Teil von eher durchschnittlich Kunstinteressierten gar nicht angesprochen. Die Besucherzahlen spiegeln das gewiss wider. Da ich mir als Künstler zum Ziel gesetzt habe, Kunst zu kreieren, zu der jeder Bürger Zugang hat, gehe ich einen anderen Weg.

Kultur Joker: Warum bist Du in diesem Jahr nicht mehr als Kandidat dabei?

Tom Brane: Ich bin praktisch veranlagt und kann mit langen theoretischen Diskussionen, wenn es um ein kulturelles Ziel geht, wenig anfangen.

Kultur Joker: Was stattdessen?

Tom Brane: Ich sehe der Stadt zu, wie sie Kultur oder Kulturtreffpunkte in Freiburg abbaut. Stichworte sind für mich: die Einschränkungen an der Sternwaldwiese und am Augustinerplatz, Ruhezeiten ab 22 Uhr, Auflösung von Wagenburgen, das Sterben der Clubkultur – und besonders die Stadtbildveränderung durch Ladenketten und -konzerne.
Da habe ich mich entschieden, dem in meinem Gebiet auf eine unkomplizierte schnelle Weise entgegenzuwirken: unabhängig von staatlichen und damit verpflichtenden Auflagen finanziert und ohne lange Wartezeiten in der Planung. Meine Sicht einer Kulturstadt ist eine andere, eine vielfältigere und lebendigere.

Kultur Joker: Hast Du Dich eigentlich mit einer Idee für das Stadtjubiläum 2020 beworben?

Tom Brane: Nein. Ich werde bundesweit für Projekte beauftragt und, obwohl ich in Freiburg zu Hause und hier auch präsent bin und so die Stadt nach außen repräsentiere, habe ich bislang kaum ein positives Feedback von der Stadtverwaltung erhalten. Anders bei vielen Bürgern.
Von Herzen gerne realisiere ich ein Projekt zum Stadtjubiläum – wenn ich dazu eine Anfrage erhalte. Das könnte ich dann als Anerkennung meiner künstlerischen Arbeit in Freiburg sehen und damit auch als Wertschätzung seitens der Stadt für neue Kunst im öffentlichen Raum.

Kultur Joker: Wie würde aus Deiner Sicht eine kulturpolitische Stärken-Schwächen-Analyse für Freiburg ausfallen?

Tom Brane: Die Schwächen sind: die geschlossene Gesellschaft der Kulturpolitik; Entscheider, die meist gar nicht das aktuelle Kulturverständnis nachvollziehen können oder dieses nur theoretisch betrachten. Allerdings finde ich toll, dass Kulturschaffende selbst immer wieder Wege finden, Kultur neu zu etablieren und autonome Kreativwerkstätten zu bewahren wie: Wohnzimmerkonzerte, Zwischennutzungen für junge Kunst, spontane Tanzveranstaltungen im Grünen oder Ein-Zimmer-Galerien in Privathäusern.

Kultur Joker: Wenn Du eine Vision entwickeln könntest für das kulturelle Leben in Freiburg 2030, wie würde die aussehen?

Tom Brane: Ein schärferer Blick für neue künstlerische Entwicklungen und deren angemessene Förderung bei den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung; keine Werbetafeln in der Innenstadt, stattdessen Flächen, bei denen Künstler sich präsentieren können und damit das Stadtbild prägen. Eine Förderung der kleinen Freiburger Läden des Einzelhandels, vielleicht durch Mietzuschüsse – sie tragen wesentlich das Stadtbild, sie machen den Charme Freiburgs aus. Eine Stadt befreit von Leuchtreklame an Wahrzeichen, oder sogar ein Verbot der Leuchtreklame in ganz Freiburg. Eben eine bunte, kreative Stadt, in der alle Kulturen einen angemessenen Platz bekommen.

Kultur Joker: Wo siehst Du Dich heute – und in Zukunft?

Tom Brane: Ich lebe meine Leidenschaft, jeden Tag, und das mache ich bis ich sterbe. Ich habe mit 8 Jahren angefangen und zeichne oder male fast jeden Tag. Ein Drang, der mir hilft, meine Umgebung zu reflektieren, zu verstehen und damit auszudrücken, was ich erlebe. Es gibt nichts, was mir wichtiger ist in meinem Leben.

Kultur Joker: Du kamst ja einst, um es salopp auszudrücken, ‚von der Straße‘ und bist inzwischen mit Deinen galeriefähigen ‚Indoor‘-Arbeiten erfolgreich. Was hat heute für Dich Vorrang: Leinwand oder Beton?

Tom Brane: Ich kam aus der Kunst und bin in der Kunst zu Hause. Das Medium steht im Hintergrund, wichtig ist für mich die Aussage und die Chance, Menschen zu begeistern und die Horizonte der Betrachter im öffentlichen Raum zu erweitern.

Kultur Joker: Deine ‚Murals‘ werden immer größer, hat man den Eindruck – wenn ich z. B. an die Wand am Kulturpark in der Haslacher Straße denke. Das Sprengen der Dimension, ist das ein Thema für Dich?

Tom Brane: Jede Wand hat ihren Charme – und ihre Geschichte. Die Größe ist mir egal. Es kommt immer drauf an, was man daraus macht.

Kultur Joker: Jüngst hast Du die Serie „Black Forest Ink“ gezeichnet. Welche Bedeutung hat für Dich Heimat?

Tom Brane: Zwischen meinen Aufträgen freue ich mich immer, nach Hause zu kommen, das ist Freiburg. Hier erlebe ich Geschichten, die ich dokumentiere, so wie ich sie im Moment des Geschehens sehe. In diesem Fall ist es eine liebevolle Widmung an den Schwarzwald. Realismus gibt es heutzutage genug, ich möchte den Menschen eine andere Sicht auf sich selbst geben – deshalb die Form der Karikatur.

Kultur Joker: Vielen Dank für das Gespräch.

Bildquellen

  • Tom Brane: Blatt „Feschba“ (Ausschnitt) aus der Serie „Black Forest Ink“, 2018.: Tom Brane