Vom Jugendstil zur Moderne

Le Corbusier & André Evard in der Kunsthalle Messmer in Riegel

Le Corbusier: "Guitare verticale"(Erste Fassung), 1920

Beide debütieren in La Chaux-de-Fonds im Schweizer Jura, von 1904 bis 1909 besuchten sie in der dortigen Kunstgewerbeschule den Unterricht von Charles L’Éplattenier (1874-1946), einem modernen Vertreter des Jugendstils: Le Corbusier (1887-1965), alias Charles-Édouard Jeanneret, Architekt, Designer, Maler, Gesamtkünstler, und André Évard, Maler (1876-1972).
Als Schüler von Charles L’Éplattenier entwickelten sie eine spezifische Ausprägung des Jugendstils, Naturformen wurden geometrisch reduziert und zu Ornamenten stilisiert. Einige Ergebnisse kamen zur Anwendung, als Le Corbusier 1905/06 in La Chaux-de-Fonds ein erstes Haus erbaute, die Villa Fallet; André Évard wirkte mit. Gemeinsam war den Studienfreunden auch die Auseinandersetzung mit dem Gedankengut des Künstlers und Sozialreformers John Ruskin; sie gelangten zur konstruktiven Moderne, wenn auch mit eklatant divergierenden Resultaten. Dies zeigt die Ausstellung in der Kunsthalle Messmer, teils chronologisch nach Jahrzehnten, teils dialogisch konzipiert – anhand hervorragender Exponate.
Le Corbusier siedelte sich 1917 in Paris an, entfernte sich vom Jugendstil, öffnete sich für Architektur, Design und Bauhausgedanken. Mit Amédée Ozenfant verfasst er das Manifest „Après le Cubisme“ und gründet die Zeitschrift „L‘Esprit Nouveau“ (hier nennt er sich erstmals Le Corbusier). Der Purismus löse den Kubismus ab, heißt es dort programmatisch, das Dekorative sei zugunsten elementarer geometrischer Formen abzulehnen. Dafür steht etwa Le Corbusiers Bild „Guitare verticale“ (1920); zudem exemplifizieren zwei Holzplastiken aus den 1940er Jahren („Ozon“, „La cathédrale“) die neue Sicht. In der Ausstellung wird auch die berühmte Chaiselongue LC4 (1928) gezeigt; desweiteren Skizzen zur Kapelle von Ronchamps und zur Weißenhofsiedlung in Stuttgart, Architekturmodelle (teilweise bekanntlich sehr umstritten) sowie verschiedene Zeichnungen.
Ihre Wege waren rasch auseinander gegangen, obwohl sich auch André Évard zwischen 1923 und 1931 oft in Paris aufhielt, er lernte Braque, Delaunay und van Doesburg kennen. In dieser Zeit entstand seine „Rosenserie“, die eine Rose als serielles Stillleben behandelt, wobei sukzessive vom naturhaft gesehenen Gegenstand abstrahiert wird, bis hin zur konstruktivistischen Darstellung. Einige dieser Arbeiten wurden im Salon des Indépendants und im Salon d’Automne (1925-1931) ausgestellt. Postulate von Suprematismus und De Stijl, die in Évards Kunst einflossen, blieben Jahrzehnte wirksam; sehr ansprechend sind die frühen Miniaturen. All dies ergibt eine beeindruckende Schau. Viele Zusammenhänge erhellt zudem ein exzellentes Begleitheft.
kunsthalle messmer, Grossherzog-Leopold-Platz 1, Riegel. www.messmerfoundation.com. Geöffnet: Di-So 11-17 Uhr. Öffentl. Führungen jew. 2. Mi. im Monat um 17.15 Uhr. Bis 26. August.
Cornelia Frenkel