Urlaub in den Misantropen: Sophie Passmanns „Pick Me Girls“ wird zum feministischen Eklat

Sophie Passmann hat ein Buch veröffentlicht. Die in Neon schimmernde Pop-Feministin lässt in ihrer jüngsten Veröffentlichung „Pick Me Girls“ kein gutes Haar an sich stehen, der Text trieft vor Selbstkritik und -hass. Das ist nicht immer einfach zu lesen, manchmal schmerzhaft, ab und an auch langatmig. Medien haben selbstverständlich darauf reagiert und die eine existente Feministin unter den Redakteur:innen herausgepickt und mit der glorreichen Aufgabe betreut: Mach doch mal was dazu. Das Ergebnis nennt sich Girl-bashing vom Feinsten. Beinahe so wie damals in der Schule, als das eine komische Mädchen mit zu großen Pullovern und zu viel Kajal auf und unter dem Auge nicht mitlästern durfte, sondern Teil dessen war, was frau abwertend belächelt. Weil komisch, weil nicht der Norm entsprechend, weil… ja, warum eigentlich?
Um diese Frage zu klären, ist zunächst einmal die Definition eines pick me girls von Relevanz. Wirklich bekannt wurde der Begriff erst 2020 durch die Social Media Plattform TikTok. In kurzen Videos sind es zumeist Frauen, die das Verhalten von pick me girls anprangern. Die Rede ist von Frauen, die ihre eigenen Interessen unterordnen, um für Männer interessant, kumpelhaft und außergewöhnlich zu wirken. Bier statt Cocktail, Sport statt Schminke, lässiges Schulterklopfen statt emotionales Comeout. Eben das klassische „weißt du, ich bin nicht wie andere Frauen“ – ich bin auch nicht besser, aber ich bin so, wie du mich gerne haben möchtest. Wie Männer Frauen ertragen können.

Passmann macht auf den 216 Seiten keinen Hehl daraus, dass sie selbst ein pick me girl war und es auch heute noch manchmal ist. Oder vielmehr: Der Hass an ihrem Körper, ausgelöst durch patriarchale Normen, hat sie zu dem gemacht. Eine Feministin im Rampenlicht, geplagt von Selbstkritik und verfolgt vom Blick der Öffentlichkeit. Beinahe synchron zur Buchveröffentlichung machte Passmann online bekannt, dass auch sie nicht frei von Schönheitseingriffen ist – erst kürzlich habe sie sich Botox spritzen lassen.

Letzteres löste eine Debatte aus, die die feministische Welt erschütterte und den Kern des eigentlichen Diskurses freilegte: Was macht eine gute Feministin aus? Naja, wenn es nach manchen Redakteur:innen großer und kleiner Magazine geht, dann jedenfalls alles, außer das, was Sophie Passmann symbolisiert. „Sophie Passmann, deine Schönheits-OP schadet mir“, „Schön, schlau und doof: Botox-Weiblichkeit feministisch vermarkten wie Sophie Passmann – und das Kämpfen anderen überlassen“, „Schlauchboot-Lippen für Gleichberechtigung“ und und und… übrigens alles Autor:innen, die sich als Frau identifizieren, die sich selbst Feministin nennen. Es tut beinahe weh dabei zuzusehen, wie der Feminismus in sich selbst zusammenstürzt und genau jene Muster weiblicher Hysterie und Krallen-Mentalität reproduziert, die misogynen Gruppen in die Karten spielen.

Kultur von Frauen zu konsumieren bedeutet, Frauen zu ertragen, auch wenn sie keine Funktion erfüllen, wenn sie weder Mutter oder Hure noch Jungfrau sind – mehr noch –, wenn sie sogar vor allem das tun, was man mit Kunst in der Regel tut: irritieren, nerven, ärgern. Sophie Passmann, „Pick Me Girls“, (S. 18)

Ja, 90 Prozent der Schönheits-OPs werden an jungen Frauen ausgeübt. Ja, diese Zahl ist viel zu hoch, darunter ist nur ein Bruchteil gesundheitlich notwendig. Aber sind diese Frauen, zu denen Sophie Passmann zählt, Auslöser oder viel mehr Opfer eines Systems, das den weiblichen Körper seit Jahrhunderten sexualisiert, vermarktet und zur Schau stellt? Und das bereits vor Passmanns Geburt? Eines steht jedenfalls fest: Im Mittelpunkt der feministischen Bewegung stand schon immer die Befreiung der Frau. Kein Mann hat das Recht zu sagen, was eine Frau mit ihrem Körper zu tun oder zu lassen hat – und keine Feministin hat einer anderen Frau zu sagen, was sie mit ihrem Körper zu tun und zu lassen hat. Welche Kleidung ich als Frau trage, für wie viel oder wenig Make-up ich mich entscheide oder wie ich zu meiner Körperbehaarung stehe, ist allein meine Entscheidung. Eine Entscheidung, die ich als Frau fähig bin zu treffen. Freiheit bedeutet auch das Ertragen vom Anderssein, von dem, was Weiblichkeit wirklich ist: divers. Auf allen Ebenen.

Bildquellen

  • Sophie Passmann: © Christian Werner