Stammeszugehörigkeiten: Die neueste Choreografie des Shibui-Kollektivs hatte im E-Werk Premiere

In manche Stämme wird man hineingeboren, für andere kann man sich entscheiden. Die fünf Tänzerinnen und Tänzer von Emi Miyoshis neuestem Stück „Restep“ tragen Kleidung üblicher Sportmarken. Sie haben sie sich sozusagen zu eigen gemacht, hier wirkt ein Puma seltsam verfilzt und dort ist irgendetwas mit den Streifen passiert. Alles sieht aus als sei es aufgetrennt und anders wieder zusammengenäht worden, Lagen Stoff hängen wie Schürzen herunter, ihr eigentlicher Ursprung ist noch zu erkennen, doch es ist sichtlich etwas mit ihnen passiert (Kostüme: Charlotte Morache). Angesichts der Netze, die die Tänzerinnen und Tänzer über dem Gesicht tragen und die ein – meist dramatisch wirkendes ‒ Auge frei lassen und von denen Zöpfe und Schnüre herabhängen, könnte man an rätselhafte Trachten denken, doch die Ähnlichkeit zu Collagen von Hannah Höch ist eben nicht minder groß.
Man kann diese Kostüme als visuelles Signal für die eigentliche Grundidee dieser Choreografie nehmen. Die Inspiration zu „Restep“ waren Volkstänze, vor allem asiatische, insbesondere japanische. Doch im Prozess der Aneignung wurden Figuren aus dem Ganzen gelöst, verändert und in einen neuen Kontext eingefügt. Und dann ist da noch eine unbändige Lust an der Bewegung. Die Drums von Konrad Wiemann sind der Atem dieser Produktion, die überhaupt mit hörbaren Atemzügen des Shibui-Kollektivs begann. Die Drums treiben die Compagnie voran, sie vereinen sich mit den Bewegungen von Anna Kempin, Katharina Ludwig, Marcella Centenero, Davide Degano sowie Giorgos Michelakis, es ist im Verlauf der gut einstündigen Performance eine intensive Kommunikation zwischen Tanz und Musik. Und in dieser Verbindung liegt wohl eine weitere Wurzel, das oft repetitive Stampfen, das Schreiten, die erhobenen Arme haben insbesondere zusammen mit dem Klang etwas Rituelles. Hier scheint auf, dass Musik und Bewegung etwas in den Menschen auslösen kann, das über sie hinausweist. Manchmal sind dazwischen kleine Schreie der Compagnie zu hören. Und wären nicht Generationen von Zivilisationsprozessen über die Zuschauer im Saal des Freiburger E-Werks hinweggegangen, nichts hielte sie auf den Stühlen. „Restep“ ist so sehr Rhythmus, dass es einen mitreißt.
Vor einem Flechtwerkvorhang, der sich auf den Seiten mit einzelnen Streifen fortsetzt (Bühne: Paula Mierzowsky) formiert sich die Compagnie zu Kreisen, zu Linien und manchmal gibt es auch ruhigere Partien, in denen die Tänzerinnen und Tänzer Luft schöpfen könnten, denn „Restep“ ist eine ausgesprochen dynamische Choreografie. Viele der Bewegungen sind durch starre Oberkörper gekennzeichnet, ein Aufstoßen der Füße, das daran erinnert, das Stepptanz auch nicht immer ein Bühnentanz war und ausgreifende Armbewegungen. Aus einem Aufstampfen entwickelt sich eine ganze Schrittfolge und einmal werden die Arme separat beleuchtet als loderte hier ein Feuer, um das sich alle versammelten (Licht: Natalie Stark). Am Ende ist wieder alles Atem, doch etwas hat sich verändert: das Publikum hat einer großartigen Performance beigewohnt.

Weitere Infos: shibuicollective.com

Bildquellen

  • Das Shibui-Kollektiv feierte Premiere im E-Werk: © Marc Doradzillo