Otfried Preuslers „Krabat“ feierte in einer Fassung von Jana Vetten im Theater im Marienbad Premiere

Theaternebel, Krähen-Gekreisch, die doppelstöckige Bühne füllt die gesamte Becken-Breite im Freiburger Marienbad als düsteres Labyrinth aus zwei riesigen Mühlrädern und vier meterhohen Metall- und Holzregalen samt fleckig-zerfetzten Vorhängen. Staubig-rostiger Steampunk-Flair (Ausstattung mit Tiefenwirkung: Eugenia Leis). „Es war in der Nacht zwischen Neujahr und Dreikönig“, so eine Erzählerstimme aus dem Off – und zack ist man in der magisch-gruseligen Welt von „Krabat“. Entlang einer sorbischen Volkssage aus dem 17. Jahrhundert erzählt Otfried Preußler in seinem 1972 mit dem Deutschen und dem Polnischen Jugendbuchpreis ausgezeichneten Roman vom Pakt mit dem Bösen, von der Liebe und dem Willen zur Freiheit. „Krabat“ heißt sein 14-jähriger Held, der in die Fänge des Meisters der Mühle vom Koselbruch und damit fast in einen Pakt mit dem Teufel gerät.
Die Geschichte zieht sich über sieben Jahre, durch Jahreszeiten, Mondphasen und kirchliche Feiertage. Das ist schwierig für eine Theaterinszenierung und so gibt es auch in der zweistündigen Strichfassung von Regisseurin Jana Vetten und Dramaturgin Sonja Karadza einige Retundanzen, vor allem am Ende des sehr langen ersten Teiles verliert der Erzählstrom an Dynamik und wird allzu linear. Die anfänglichen Erzähler-Einspielungen wirken da wie Fremdkörper. Alles andere funktioniert fantastisch: Facettenreich, mit viel Intensität und Dynamik spielen Daniela Mohr, Julia Schulze, Benedikt Thönes und Robert Huschenbett in wechselnden Rollen ihre elf Müllersburschen, es gibt tolle Sprechgesänge (Musik: Öğünç Kardelen) und Choreografien, Schattenspiel und Leinwand-Projektionen, Licht-Zauberei und einen supergruseligen Meister: Christoph Müller gibt ihn als einäugigen, humpelnden Riesen mit Krähenmantel – ein mächtiger Bösewicht wie aus einem Comic.
Doch erstmal läuft es gut für Krabat: Energiegeladen und fröhlich turnt Julia Schulze durch das Mühlen-Eingeweide, schließlich hat der Betteljunge plötzlich eine Lehrstelle mit Kost und Logis, dazu mit Tonda einen Freund gefunden, wie es keinen besseren gibt. Mit Stangen und Hammer schlagen die Müllersburschen im gemeinsamen Beat auf Holz und Metall, rostrot sind ihre Oberteile, fleckig grau die Arbeitshosen und Jacken, quietschend setzt sich das Mahlwerk mit Pedalen in Bewegung. Daniela Mohr streicht dazu bedrohlich-traurig das Cello. Immer wieder gibt es solch bild- und soundmächtige Szenen, stark rhythmisiert und voller bedrohlicher Atmosphäre wie die Unterrichts-Litaneien in der schwarzen Schule. Aus denen blitzen helle Lichtinseln: Krabats spannende Osternacht unter freiem Himmel mit Tonda, der Gesang der Kantorka aus dem Dorf, der Kirmestanz, das anfangs fröhliche Sauffest auf der Mühle.
Denn immer klarer wird, das hier Ungeheuerliches passiert: Jedes Jahr stirbt ein Bursche unter mysteriösen Umständen, ein geheimnisvoller Herr Gevatter reist in der Neumondnacht an, dann ist der siebte Mühlgang voller Zähne und Knochensplitter. Denn der Meister sieht alles, eine Flucht ist sinnlos… Zum Glück gibt es noch den Dummkopf Juro, der gar kein Dummkopf ist und sich Krabat annimmt. Daniela Mohr spielt ihn als schlitzohrigen, wuseligen Hofnarren und Kontrahenten des Bösen. „Übe deinen Willen!“ beschwört er seinen Schützling im magischen Kreis – es ist eine der Schlüsselszenen dieser Geschichte, bei dem der Held drei mal die Gestalt wechselt und Julia Schulze als bezaubernde Kantorka am Ende so souverän ihren Liebsten rettet. – Ein Märchen über´s Erwachsenwerden, über Angst und Mut, Freundschaft und Selbstvertrauen – und über die Kraft der Träume.

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  • Unterricht in schwarzer Magie mit dem Meister: Foto: MiNZ&KUNST