LiteraturMixtape

Mit einem „Theorie-Roman“ legt der Gründer der legendären Freiburger Jackson Pollock Bar sein nächstes, durchaus streitbares Kunststück vor

Die Jackson Pollock Bar (1996–2014), situiert in der Bar im Theater Freiburg, war nicht nur idealer Spot, um kultiviert wie Bargänger Hemingway mit Leuten ins Gespräch zu kommen, sondern auch um ungewöhnlichen Kunstinstallationen zu begegnen. Die „Jackson Pollock Bar“ war schließlich keine Bar, sondern ein „Performanceunternehmen für Theorieinstallationen“. So lesen Neugierige im Beitext des Theorie-Romans „Wie wir aus der Zeit fielen. On Tour mit Art & Language und Niklas Luhmann“, geschrieben von Christian Matthiessen, Konzeptor und Leiter der Bar.
Wir begleiten den Ich-Erzähler auf seiner „Tour“ zwischen Deutschland, Frankreich, England und Italien, wo er in Dialog mit der Kunst des 20. Jahrhunderts tritt. Durchaus frech, hintersinnig und gerüstet mit der Systemtheorie Luhmanns werden neue Anschlussmöglichkeiten gesucht. Beuys wird etwa nicht bloß als großer Innovator begrüßt, sondern gar als Frau betitelt, und noch dazu als schwarz!
Das zumindest sagt die Figur von Rudolf Bumiller, der wie Konzeptkünstler und Avantgarde-Theoretiker Bazon Brock im dia- oder eben monologstarken Roman mehrfach zu Wort gebeten wird. Nun mag man sich gerade als linksgerichtete Person gestört fühlen, wenn ein anthroposophierender weißer Cis-Mann wie Beuys zur schwarzen Ikone befördert wird. Das bliebe aber nicht die einzige Auseinandersetzung, die von Matthiessens durchaus gesucht wird. Mit den „woken“ Ausprägungen postmoderner Dekonstruktion wird sein Ich-Erzähler ebenso wenig warm wie mit der „Marktkunst“, die er im „Zustand neofeudaler Hochleistungskunst“ sieht.
Trotz aller Unzufriedenheit gegenüber den Entwicklungen aktueller Kunsttheorie bleibt die unverbrüchliche Treue zum britischen Künstlerkollektiv Art & Language, nach dessen Vorbild Matthiessen in der Jackson Pollock Bar Playback-Performances des ästhetischen Diskurses inszenierte. Ein Schauspieler schlüpft etwa in die Rolle Beuys und macht etwas Neues daraus.
Ansonsten sehen wir den Ich-Erzähler des Romans wie sein Vorbild Hemingway zwischen wehmütigen Erinnerungen an Frauen und Kunstinstallationen, Wein und den Ländern Europas pendeln und zur genüsslichen Dekonstruktion schreiten. Die mündet in einem reichhaltigen Katalog von „Thesen zur ontologischen Kunst“, den man zur nächsten möglichen Diskussionsperformance in Freiburg gerne mitbringen kann. Auf die „Pollock Bar“ und was ihr an bissiger Performance-Theorie noch folgen mag!

Christian Matthiessen, „Wie wir aus der Zeit fielen. On Tour mit Art & Language und Niklas Luhmann“, Kulturverlag Kadmos 2023.

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  • Mit einem „Theorie-Roman“ legt der Gründer der legendären Freiburger Jackson Pollock Bar sein nächstes, durchaus streitbares Kunststück vor: Copyright: Kadmos
  • Mit einem „Theorie-Roman“ legt der Gründer der legendären Freiburger Jackson Pollock Bar sein nächstes, durchaus streitbares Kunststück vor: Foto: cottonbro studio via pexels