Männlichkeit in Schräglage: „Touch Isolation“ inszeniert in der Kaserne Basel

Men at work. Die Bohrmaschine surrt, mit ein paar Bierchen wird angestoßen, lockeres Geplauder. Kaum, dass die vier Männer den geräumigen Holzkubus fertiggezimmert haben, erscheint eine Texttafel über der Bühne: „Man Box.“ Was die Männer soeben cool und leichterhand gewerkelt haben, ist – so die folgende Erläuterung des Begriffs – das, was sie einengen wird, ihnen die Regeln diktiert, in eine Box sperrt, das, was die Identität „Mann“ bedeutet. Der Holzkubus wird zum Gefängnis.
„Touch Isolation“ heißt das neue Stück des Duos Chris Leuenberger und Marcel Schwald, das in der Kaserne Basel am 17. November Premiere feierte. Tanztheater mit vier namenlosen Männern aus verschiedenen kulturellen Communities (Chris Leuenberger selbst und die drei US-amerikanischen Tänzer Brandon Woods, Andy Santana, André Chapatte). Sie versuchen choreografisch darzustellen, was ihre Körper gleichsam einengt. Denn „Touch Isolation“, ein Begriff, den der amerikanische Autor Marc Greene etablierte, ist das, was Männer früh dazu bringt, zärtlichen physischen Kontakt zu meiden. Basierend auf biografischen Erfahrungsberichten, die von den Tänzern gesprochen werden, entwickelt sich das Stück fließend zwischen intellektueller Diskursarbeit und intuitiver Körperarbeit, die so greifbar wie abstrakt „Männlichkeit“ zur Disposition stellt.
Machogesten sind in „Touch Isolation“ nur bedingt zu finden. Zwar beginnt das Stück damit, dass die vier Männer und der begleitende Musiker Thomas Jeker wild auf Metallteile und ein Schlagzeug hämmern, ausladend und springend im Rhythmus tanzen. Eine plumpe Aufreißershow wird es aber nicht. Zwischen die Kraftgesten schleichen sich grazile, laszive Bewegungen, auch ein Betasten des eigenen männlichen Körpers.
Zurückhaltend inszeniert ist auch die homosexuelle Komponente der Selbstbegegnungen. Der Gleichsetzung von männlicher Zärtlichkeit und Homosexualität, ganz gemäß der Klischees einer „Man Box“, verweigert sich „Touch Isolation“ durchweg. Zwar wird die zunächst einengende „Man Box“ zunehmend auch Raum zärtlicher Berührungen. Vor allem aber isolieren sich die Tänzer immer wieder voneinander und geraten in spannungsreiche, aber auch befreiende Berührungen mit sich selbst – nicht nur auf physischer Ebene. Zum Ende des Stücks verfällt einer der vier (Brandon Woods) plötzlich zur Musik seines Smartphones in zuckende Posen, scheint zu hyperventilieren. Tatsächlich aber ist es ein körperliches Zwiegespräch mit sich selbst, eine Konfrontation mit dem, was dieser Mann als Individuum nur selbst deuten kann. Ein anderer Tänzer (Chris Leuenberger) spricht nach Errichtung des Holzkubus mit der Bohrmaschine, fasziniert, schließlich aber auch erschrocken. Was ihm das Symbol tatkräftiger Männlichkeit plötzlich an Ambivalenz zu vermitteln scheint?
Thomas Jeker begleitet das Stück mit Gitarre, Cello oder Flöte, mit Soundflächen, die entrücken und so letztlich auf etwas Entrücktes hinwiesen, eine Schräglage, auf der keine „Man Box“ Halt findet. Wie passend, dass „Touch Isolation“ in der Programmreihe „Unordnung“ steht.

Bildquellen

  • Andy Santana, Brandon Woods, Chris Leuenberger, André Chapatte und die „Man Box“: Foto: Lukas Acton