„Kosmos Kubismus. Von Picasso bis Léger“ im Kunstmuseum Basel

Wissenschaftlich recherchiert und klug aufgearbeitet: Das Kunstmuseum Basel zeichnet in „Kosmos Kubismus“ die Entwicklung des Kubismus nach, vom Einfluss afrikanischer Kunst bis zum Ende der Bewegung um Picasso und Braque durch den Ersten Weltkrieg.

Die Parodie ließ nicht lange auf sich warten. 1912 schlüpfte der Schauspieler und Komiker Charles Prince in das Kostüm seiner Figur Rigadin. Und dieses hatte Ecken und Kanten, wie alles, was er malte. Eine Birne war in „Rigadin Peintre Cubiste“ nicht länger eine Birne, sondern eine Raute, zum entrüsteten Missfallen seines Schwiegervaters, der ein Vertreter der Salonmalerei war.

Dieser stumme Slapstickfilm, der in der Ausstellung „Kosmos Kubismus. Von Picasso bis Léger“ im Kunstmuseum Basel zu sehen ist, zeigt, wie sehr der Stil das Zeug zum Aufreger hatte. In den Augen der Zeitgenossen war er lächerlich, hatte aber hohes Wiedererkennungspotential. 1912 ist auch das Jahr, in dem Pablo Picasso seine erste Collage schuf. Eine Kordel säumt ein Oval, auf das ein Stück Wachstuch geklebt ist, das das Geflecht eines Rohstuhls imitiert.

Die Basler Ausstellung, die ein schönes Beispiel für eine wissenschaftlich solide recherchierte und klug aufbereitete Ausstellung mit hochkarätigen Werken ist, setzt natürlich früher ein, gut fünf Jahre vor Picassos Collage. Gleich der erste Raum von „Kosmos Kubismus. Von Picasso bis Léger“ befasst sich mit dem Einfluss afrikanischer Kunst auf die Pariser Szene. Es wirkt wie der Wiedereintritt ins Paradies – abgesehen davon, dass sich unter den Nacktdarstellungen kein Adam befindet, wohl aber mit Picassos „Mann, Frau und Kind“ aus dem Jahr 1906 eine junge Familie.

Die gegenübergestellten afrikanischen Skulpturen stammen etwa aus dem Besitz von Guillaume Apollinaire und haben unter anderem Picasso als unmittelbare Vorbilder für Porträts gedient. Man kann aber bereits an diesem ersten Raum erkennen, was für ein produktiver Wettstreit die Suche nach Darstellungsmöglichkeiten jenseits des akademischen Stils ausgelöst hatte. Neben dem so genannten Primitivismus war das Werk Paul Cézannes eine weitere Quelle für den Kubismus. Nach der Pariser Cézanne-Retrospektive 1907 begannen Picasso und Georges Braque ihre Kompositionen aufzusplittern, ein Jahr später reisten Braque und Raoul Dufy in das Südfrankreich Cézannes.

Von den späteren oft flauen Farbtönen ist hier noch nichts zu spüren, Grün und Braun dominieren die Landschafts- und Architekturdarstellungen, die oft so aussehen als hätten die Maler diese auf den kleinsten gemeinsamen Nenner kristallisiert: Bilder wie zerklüftete Geologie. Die Pinselstriche suchten das Material zu imitieren und zugleich erlaubte die Malweise den Künstlern eine Gratwanderung zwischen abstrakt und figurativ. „Kosmos Kubismus“ setzt nicht allein auf Picasso, wie derzeit die Fondation Beyeler, so dass man mit beiden Ausstellungen gerade in Basel wichtige Jahre der Kunstgeschichte abdeckt, sie zeigt auch weniger bekannte kubistische Werke von Francis Picabia oder Sonia Delaunay.

Dass das Kunstmuseum Basel selbst über einige ausgezeichnete Werke dieser Jahre verfügt, hat viel mit den Zeitläuften zu tun. Während des Ersten Weltkrieges wurde in Paris der Bestand des deutschen Galeristen Daniel-Henry Kahnweiler konfisziert und versteigert. Raoul la Roche, der einen Großteil seines Lebens in Paris verbrachte, ersteigerte einige der Arbeiten, gut 90 Werke der Sammlung schenkte er später dem Kunstmuseum Basel. Die Ausstellung ist reich an solchen Nebenkapiteln, sie dokumentiert die Rezeption des Kubismus in einer Vitrine, in der auch ein kurzer Film von 1919 zu sehen ist, in dem Henri Laurens eine seiner Skulpturen um die eigene Achse dreht und diese Sequenz am Ende einem kubistischen Bild gegenüberstellt.

Der Versuch die dritte Dimension in der Fläche zu realisieren, ist ein Deutungsansatz, ein anderer ist die Erfahrung der Moderne, die Vorstellung der Simultaneität des Philosophen Henri Bergson und der Auflösung des Individuums. Als zynische Extremerfahrung sollte sich diese im Ersten Weltkrieg einlösen wie ein Zitat aus einem Brief Fernand Légers nahelegt, der sichtlich unter dem Eindruck der menschenverachtenden Materialschlacht steht.

Der Krieg jedenfalls zerstörte auch den Zusammenhalt der Künstlergruppe um Picasso und Braque, der über mehrere Jahre die bahnbrechende Wirkung des Kubismus möglich gemacht hatte.


Was:
Ausstellung: „Kosmos Kubismus. Von Picasso bis Léger“
Wann: bis 4. August 2019,  Di bis So 10 bis 18 Uhr, Mi 10 bis 20 Uhr.
Wo: Kunstmuseum Basel, St. Alban-Graben 20, Basel
Web: www.kunstmuseumbasel.ch