„Inventaire“ der Compagnie La petite x feierte in der Art’Rhena Derniere

Auf der Bühne des großen Saals der Art’Rhena ist eine Schale mit Mandarinen warm ausgeleuchtet. Draußen ist es unwirtlich und stürmisch an diesem Dernierentag. Im großen Saal geht es dafür recht häuslich zu. Auf beiden Seiten stehen mehrere Möbel, ein Tisch, Lehnstühle, eine Stehlampe, ein Tischchen. Sie wirken als sei die Zeit an ihnen vorbeigegangen, als ob es nie einen Anlass gab, sie zu erneuern oder zu ersetzen, weil sie eine derart verlässliche Gediegenheit ausstrahlen. „Inventaire“ der Compagnie La petite x ist eine Koproduktion zwischen dem Freiburger E-Werk und der französischen Art’Rhena, die auf der Rheininsel bei Vogelgrun gelegen ist. Und auch auf der Bühne geht es konsequent binational zu. Frédéric Werlé ist Franzose, Kai Brügge Deutscher.
Was die beiden trennt, ist so offensichtlich wie das, was sie vereint. Eine gute Generation liegt zwischen ihnen, Brügge ist eindeutig der Beweglichere der beiden, hingegen sind sie ähnlich kahl. Und so wirken sie wie das jüngere, beziehungsweise ältere Alter Ego des Anderen. Eine Ähnlichkeit, aus der die Choreografie von Claire Pastier und Daniel Rakovsky viel Komik schlägt. Und es beginnt gleich damit, dass, beide in schwarzer Hose und bordeauxfarbenem Pulli, nebeneinander stehen, den Kopf langsam nach links bewegen, dann nach rechts und irgendwann landet der von Brügge auf dem Brustkorb von Werlé wie ein Pendel. Dieser wiederum wird sich wenig später in großer Pose verbeugen in der Manier eines Staatsschauspielers. Pastier und Rakovsky spielen mit der unterschiedlichen Statur und Beweglichkeit bei Boden- und Hebefiguren.
Doch neben den beiden Männern gibt es einen weiteren Mitspieler. Es ist das Haus, in dem Daniel Rakovsky als Kind viel Zeit verbracht hat. Als die Großeltern starben, gab die Familie das Haus in der Normandie auf. Doch in der verbliebenen Zeit zogen noch einmal gute Geister ein. „10 chambres“ heißt der Film, den die Compagnie La Petite x dort drehte, er ist eine Hommage an das Leben, das dort stattfand. Und da es nur noch in Fragmenten vorhanden ist, wirkt es ziemlich surreal. Filmausschnitte mit Kai Brügge und Frédéric Werlé haben die beiden Choreografen in das Stück integriert. Man sieht sie auf Möbel klettern oder von hinten vor dem Kamin auf dem Sofa sitzend, wo sie die Köpfe wie Pendel ausschlagen. Einmal zeichnet sich Brügge auf der Bühne ein Raster auf die Brust, es ähnelt dem der Mondrian-Reproduktion an der Wand, aber es könnte auch ein Grundriss des Hauses sein, dessen einzelne Zimmer der Tänzer benennt.
Der melancholisch-heitere, mitunter versponnene Grundton, irgendwie zwischen Pathos und Komik, prägt das gut 70-minütige Tanzstück „Inventaire“. Der Abschied vom Haus ist die Grundstimmung dieses Abends; nachdem die Möbel unzählige Male hin und her geschoben wurden, stehen sie für einen Moment Platz sparend, ineinander verkeilt zusammen. So wie sie vielleicht wirklich in einem Kellerabteil oder einem Container auf ein neues Leben warten. Das Haus, das sprachlich und räumlich in „Inventaire“ vermessen wird, ermöglicht all dies. Aber es ist natürlich auch eine Metapher für einen Raum an sich, für die Bühne, auf der das alles stattfinden kann. Der Compagnie La petite x ist ein Abschied gelungen, der auch einen Anfang in sich trägt.

Bildquellen

  • Kai Brügge und Frédéric Werlé: Foto: Marc Doradzillo