Immer schön unauffällig bleiben: Wie steht es eigentlich um die Freiburger Subkultur?

„Unsereins ist nun mal nicht unauffällig, nich?“, sprach Nina Hagen im Kultur Joker-Interview vom März 1992. Und wer Nina Hagen auf dem Cover grinsen sieht, weiß sofort, was sie meint: New Wave, Partykultur, schrille Outfits, Ekstase und manchmal ein schlüpfriger Kommentar. Scheiß auf Geschlechterrollen. Popularität und Antihaltung kamen bei ihr auf schillernde Weise zusammen.
Kein Wunder, dass Punk und Underground auch für heutige Künstler:innen beliebte Begriffe sind, um sich vom Mainstream abzugrenzen. Idealerweise will man aber auch gehört werden und kein „Niemand“ sein (siehe Wayne Bernhardt oben). Bloß „nich unauffällig“ eben. Das sagt schließlich auch das englische Wikipedia: Ohne den Mainstream als Gegenüber gibt‘s keinen Underground.
Underground braucht aber auch Orte und Szenen, um zu existieren. Das ist in Freiburg natürlich eine haarige Sache. Zwar gibt es Subkultur-Institutionen wie die KTS, das ArTik und den Slow Club, ein Undergroundnetzwerk sucht man aber vergebens. Not macht immerhin erfinderisch: Die gut vernetzten Seafood Shows in der Haslacherstraße laden für ihre Konzerte in der heimischen Garage gern befreundete Acts aus Straßburg ins triste Freiburg. (Warum die französische Kulturszene aufregender ist als die deutsche bedarf dennoch einmal einer Erklärung oder vieler Kolumnen.)
Wer schließlich zu Nina Hagen und den wilden 90ern zurückkehren will, kann natürlich auch in Freiburg fündig werden. So in der Rave-Fraktion, eine der letzten Bastionen unkommerzieller 90er-Nostalgie. Die vegetiert verzweifelt zwischen Stress mit Anwohner:innen und dem diffusen Angebot der Stadt, irgendwann einmal legale Rave-Flächen zu ermöglichen, natürlich mit Auflagen, ganz offiziell, gar nicht underground. Wie ein trauriger Witz mutet schließlich die Website des bis auf Weiteres inaktiven Freiburger subculture Magazins an. Da heißt es nur: „Sendepause“ für die Subkultur. Ein ähnliches Bild gibt die Interessengemeinschaft ig subKULTUR. Hier ist eine Website (bis Redaktionsschluss) gar nicht erreichbar, quasi underground.
Wenn Underground also fehlende Reichweite, fehlende Repräsentation, ewiger Underdog-Status ist, dann hat die Freiburger Szene einiges davon. Einen schrill-leuchtenden wie unbequemen Gegenentwurf zum Mainstream à la Nina Hagen sucht man in einer Welt, in der Drag wie der von Betty BBQ zum Verkauf von Bollenhüten anregt, vergebens. Das ist natürlich cool, wenn es um Repräsentation geht, führt zugleich aber auf die Crux des Underground zurück: Wer sich gegen den Mainstream wehrt, dem droht das unschöne Niemandsein.
Ein zynischer Lösungsvorschlag: „Underground“ als Mode- und Partylabel, vielleicht auch, um den eigenen irren Lifestyle zu finanzieren, schließlich sagt auch Nina Hagen im Interview, dass es manchmal auch einfach darum geht, „etwas Kohle rauszuleiern“.

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  • Freiburg im Breisgau: Foto: Ali Atakan Açıkbaş via pexels