Die Unruhe der Stille: „Neue Skulpturen“ von Walter Moroder in der Galerie Albert Baumgarten

Der aus St. Ulrich im Grödnertal in den Südtiroler Dolomiten stammende Bildhauer und Zeichner Walter Moroder ist in der Freiburger Galerie Baumgarten kein Unbekannter. Seit 2005 wird dort in regelmäßigen Abständen die Entwicklung des international renommierten Künstlers in all ihren Facetten präsentiert und dokumentiert, oder die Galerie beteiligt sich mit dessen Werken an Gemeinschaftsausstellungen mit anderen Galerien oder auf Kunstmessen.
Das Grödnertal gilt traditionell und noch heute als ein Mekka der Holzschnitzkunst mit überwiegend sakralem Charakter. Moroder wuchs dort in einer der zahlreichen Holzschnitzer-Familien auf und seine umfassende handwerkliche Ausbildung zum Holzbildhauer war quasi vorgezeichnet. Seinen künstlerischen Horizont konnte er an der Staatlichen Kunstlehranstalt in St. Ulrich, bei einem USA-Aufenthalt und entscheidend durch ein Studium der Bildhauerei bei Prof. Hans Ladner an der Akademie der Bildenden Künste in München erweitern.
In der umfangreichen aktuellen Ausstellung dominieren die bis zu zwei Meter hohen, zumeist stelenartigen Skulpturen vorwiegend weiblicher Gestalten. Sie stehen oder sitzen bewegungslos und richten ihren Blick starr nach vorne oder halten vereinzelt die Augen geschlossen. Im ersten Moment kann dies durchaus unnahbar, gar abstoßend wirken. Aber weit gefehlt, doch davon später.
Die Figuren sind ausnahmslos aus dem Vollen aus einem Stück gearbeitet. Moroder verwendet überwiegend verleimte Rohlinge aus Zirbelkiefer, seltener aus Linde, Eiche oder Erle. Das Leimholz schließt Trockenrissbildung nahezu aus. Zusätzliche Hilfsmittel sind Gips, Lehm und Leim, gelegentlich Kunstharz und für die Bemalung benutzt er Acrylfarben und manchmal Schellack.
Die vielleicht anfängliche Distanz zu den Figuren verschwindet schlagartig, wenn man als Betrachter mit deren Augen korrespondiert. Diese sind entweder gemalt, oder Moroder setzt Glasaugen ein, wie sie auch bei Menschen nach Verlust eines Augapfels Verwendung finden. Man wird unversehens zum Dialog provoziert und die vermeintlich distanzierende statuarisch-stoische Blickleere der Figur mutiert plötzlich zum einladenden Portier für einen je nach Figur vergnüglichen oder ernsten Austausch. Lässt man sich darauf ein, verläuft dieser in jedem Fall spannungsgeladen. Moroders Werke besitzen dieses Potenzial, wenn man es denn nutzen will. Dies ist hohe Kunst.
Ähnlich wie ihre emotionale Wirkmächtigkeit fasziniert das perfekte handwerkliche Geschick des Künstlers. Hammerschläge oder Abhebungen der Schnitzmesser sind mit solcher Akkuratesse geführt, dass sie trotz tausendfachem Nebeneinander auf den Oberflächen Meere der Ruhe hinterlassen. Hier ist der Südtiroler weit entfernt von dem in der Holzbildhauerei groß in Mode gekommenen Kettensägenexpressionismus.
Interessant ist auch ein künstlerisches Experiment. Moroder hat in seinem Atelier wie gewohnt eine Holz­skulptur geschaffen und diese in mit Bändern befestigte Tücher nach Art der ägyptischen Mumien eingehüllt. Er ließ die Umrisse der Figur digital einscannen und dann aus einem großen Block aus Polyurethan herausfräsen. In der Ausstellung steht nun dieses Kunststoffbildnis unweit einer ähnlich aus Vollholz gestalteten Figur und ermöglicht so dem Publikum einen direkten Vergleich und ein Urteil.
Neben den Großstatuen sind noch zahlreiche kleinere Werke aus Holz und Bronze sowie Zeichnungen des Künstlers ausgestellt.

Walter Moroder. Neue Skulpturen. Galerie Albert Baumgarten, Kartäuserstraße 32, Freiburg. Di–Fr 15-19 Uhr und Sa 11–13 Uhr sowie nach telefonischer Absprache. Bis 20.04.2024

Bildquellen

  • Emotional, wirkmächtig und perfekt gearbeitet sind die Skulpturen Walter Moroders: Foto: Erich Krieger