Im Gespräch: Natural Orlando, Tänzer, Veranstalter und Mitbegründer des NoBasement unter dem Schwabentor

Im Kellergewölbe des Schwabentors spitzt sich seit gut zwei Jahren ein Konflikt zwischen Stadt und Subkultur zu. Das NoBasement, gedacht als Workspace für junge Künstler*innen, darf nicht öffnen, der Unmut auf beiden Seiten wächst. Elisabeth Jockers traf Natural Orlando, Tänzer, Veranstalter, Teil der NoLeadersCommunity und Mitbegründer des NoBasement am Schwabentor, um über Hip-Hop, das NoBasement und den Konflikt dahinter zu sprechen.

Vergessene Kellerräume mitten in der Stadt: Bevor das
NoBasement entstand

Kultur Joker: Was bedeutet Hip-Hop für dich?

Natural: Hip-Hop ist eine kontroverse Kultur, die auch politisch ist. Die Wurzeln liegen für mich in „Peace, Love and Unity“, das wird im Hip-Hop gelebt. Hip-Hop ist eine Kultur, die für jeden zugänglich ist. Anders bei der sogenannten Hochkultur. Wenn du keine Eltern hast, die ein Cello finanzieren können, kommst du da nicht rein. Für Hip-Hop brauchst du dagegen sehr wenig: Stift und Papier, ein Paar Turnschuhe, einen Ort zum Tanzen. Das macht es interessant für Leute, die in nicht privilegierten Verhältnissen aufwachsen und oft nicht gehört werden. Deshalb braucht es solche Orte wie das NoBasement, damit sich die Community treffen und wachsen kann.

Kultur Joker: Was ist die Vision hinter dem NoBasement?

Natural: Die Vision dahinter ist ein Raum für Künstler*innen zu schaffen. Wir möchten das auch gar nicht auf Hip-Hop begrenzen. Am Ende soll das Basement ein Workspace für junge, kreative und offene Menschen werden, die sich über diesen Ort connecten. Es gibt ein Tonstudio, angeschlossen an einen Raum für Mediengestalter*innen und ein Tanzstudio, wo auch Workshops stattfinden können.

Kultur Joker: Das NoBasement ist seit über einem Jahr geschlossen, der Konflikt mit der Stadt Freiburg festgefahren. Wie hat alles begonnen?

Natural: Mein Bruder, dem der Laden zum Keller gehört, fragte mich, ob ich im Winter nicht im Keller tanzen möchte. Ich trainierte immer im Freien, was auch nice war, im Winter aber sehr kalt. Wir haben den ersten Raum ausgeräumt und den Boden angepasst, um Verletzungen zu vermeiden.
Am 5. September 2019 begann dann das Drama. Der Laden stellte erneut die Anfrage nach Heizmöglichkeiten an die zuständige Stelle der Stadt Freiburg, die erste Anfrage wurde bereits 2017 gestellt. Nach einer Besichtigung wurde uns mündlich die Genehmigung gegeben, Kernbohrungen für den Ofeneinbau vorzunehmen. Die sollten wir dann noch von einem Schornsteinfeger abnehmen lassen und dann sei alles in Ordnung. Wir haben die Bohrungen vorgenommen, Rohre gelegt, Öfen geholt und die Ofenbauart zur Genehmigungsbehörde geschickt.
Danach hat der Schornsteinfeger uns erklärt, wie wir die Öfen anschließen müssen, der Schacht wurde geprüft usw. Der Schornsteinfeger sagte, er würde alles schriftlich vorbereiten und die Stadt müsse ihn nur noch anfragen. Oktober, November, Dezember vergingen, aber es kam nichts.

Kultur Joker: Und dann?

Natural: Es war so kalt, dass wir Silvester 2019/2020 einen Ofen anmachten, um uns hier aufhalten zu können. Nach zwei Monaten, am 2. Februar 2020, kam plötzlich eine Beschwerde des Nachbarn, er hätte Rauch in der Wohnung. Es kam sofort jemand wegen Brandschutz, was ich auch verstehen kann. Wir haben noch am selben Tag alles abgebaut. Unser Fehler war, dass wir uns auf mündliche Aussagen von Vertretern der Stadt verließen. Was mich stört, ist das Gefühl, dass wir behandelt werden, als würden wir diesen Keller besetzen, dabei ist er offiziell gemietet und bezahlt.

Die Freiburger Partnerstadt Padua setzt sich für den Erhalt ein: Dabei entstand das Video „Patata bollente“ (rechts unten: Natural Orlando)

Kultur Joker: Das ist jetzt über ein Jahr her …

Natural: Seitdem versuchen wir ein Gespräch mit der Stadt zu bekommen. Wir haben eine Kampagne über Social Media mit dem Hashtag #nobasement gestartet, wo Martin Horn von unfassbar vielen Leuten markiert wurde. Am 26. Februar 2020 durfte ich dann mit ihm telefonieren. Er lobte unsere Kampagne und sagte, wir sollten erstmal alles zurückbauen, könnten aber eine gemeinsame Lösung finden.

Kultur Joker: Und seitdem ist Funkstille?

Natural: Nein, der nächste Vorfall ereignete sich am 6. September 2020. Ich habe das Frei Art Festival mitorganisiert und wie das so ist, brachte die erste Edition viel Chaos. Danach war ich komplett fertig und habe mich auf dem Sofa im NoBasement hingelegt. Am frühen Morgen sind Mitarbeiter der Stadt in den Keller gekommen und haben Bilder von mir beim Schlafen gemacht. Angeblich hätten sie die mündliche Genehmigung gehabt, in unseren Keller zu gehen und Fotos zu machen. Das sind Geschehnisse, die noch mehr Reibung zwischen den Parteien erzeugt haben und wahrscheinlich auch nicht ganz rechtens sind.

Kultur Joker: Seid ihr seitdem nochmal auf die Stadt zugegangen?

Natural: Wir haben mit Brandschutzbeauftragten über Konzepte und mit einem Architekten über mögliche Fluchtwege gesprochen und am 28. September 2021 beim Liegenschaftsamt angerufen, um nach einem Termin zu fragen. Dort wurde uns gesagt, die Gespräche würden nichts bringen, wenn unser Ziel wäre, den Keller zu nutzen.

Kultur Joker: Gab es denn Kompromissvorschläge?

Natural: Bislang gab es noch keinen konkreten Vorschlag. Meine große Sorge ist, dass wir, wie andere Subkultur, an den Stadtrand gedrängt werden. Die Stärke vom NoBasement ist aber die zentrale Location. Der Ort ist für alle einfach zu erreichen und setzt ein wichtiges Zeichen: Die Subkultur und damit junge Menschen nicht aus dem Innenstadtbild zu verdrängen. Davon profitiert eine Stadt am Ende und das, ohne selbst Geld oder Arbeit investieren zu müssen.

Kultur Joker: Lieber Natural, vielen Dank für das Gespräch.

Das Video „Patata bollente (Padua, Italy & Freiburg, Germany)“ findet ihr auf YouTube: www.youtube.com/watch?v=cqTm1KJTvkE&t=62s

 

 

 

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Bildquellen

  • Vergessene Kellerräume mitten in der Stadt: Bevor das NoBasement entstand: Foto: privat
  • Die Freiburger Partnerstadt Padua setzt sich für den Erhalt ein: Dabei entstand das Video „Patata bollente“ (rechts unten: Natural Orlando): Foto: privat
  • Natural Orlando: Foto: privat