Im Freiburger PEAC Museum kann man sich auf „Spurensuche“ machen

Richard Long: „Clod, Spring, Circle“, 1994, Neandertalsteine, 200 cm Durchmesser, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021 Foto: Bernhard Strauss

Es beginnt in Raum zwei und setzt sich fort bis zum Raum sechs: papierne Kreise in Türkis und Bronze. Für Konfetti sind sie zu groß, um ein Zufall zu sein, zu viele. Die ausgestanzten Kreise gehören zur Arbeit „Silberbuch_Aussaat I“ des Künstlerpaares Hösl-Mihaljevic. Auf der Tischplatte liegt nicht nur das Künstlerbuch aus, sondern auch einzelne dieser Kreise neben Pinzetten und Aufforderungen, wie sich die Besucherinnen und Besucher zu verhalten haben. „Silberbuch_Aussaat I“ ist nach einem Paris-Aufenthalt entstanden, bei dem Andrea Mihaljevic und Stefan Hoesl die Stadtvillen von Le Corbusier in der Hauptstadt erkundeten. In der Publikation sind sie als solche nicht zu erkennen, zu verfremdet sind die Ausschnitte, hinzu kommt, dass die Seiten durchlöchert sind. „Silberbuch_Aussaat I“ ist in der aktuellen Ausstellung „Spurensuche“ des Freiburger PEAC Museum zu sehen und es veranschaulicht, dass es hilft zu wissen, was man sucht, um eine Spur als solche zu erkennen. Im Falle von Hösl-Mihaljevic sind die ausgestanzten Kreise eine Leimrute, die zur eigentlichen Arbeit führt, aber auch deren Samen, der diese erweitert. Mit solchen Rückkoppelungen ist in der Ausstellung zu rechnen.
Die Gruppenschau deckt ein ganzes Spektrum an Bedeutungsmöglichkeiten ab, was eine Spur sein kann. Bernd Völkle etwa hat die gesamte Installation von 94 Zigarrenschachteln den „lieben Kollegen“ gewidmet. Und die haben sich wirklich eingeschrieben in das Werk Völkles. Eine der „Romeo y Julieta“-Schachteln ist Paul Gauguin gewidmet, eine Reproduktion eines Blumenstraußes des französischen Malers ist in die Box eingeklebt. In einer anderen entdeckt man auf einer Keramikscheibe helle konzentrische Kreise, vielleicht die Unterseite eines Topfes, jedenfalls eine Anspielung auf Jasper Johns‘ Targets. Doch diese gewitzten Spielereien spiegeln auch das Kulturleben der Region, insbesondere von Basel, ab, selbst jüngste Ausstellungen wie die von Kara Walker im Kunstmuseum Basel haben hier ihre Spuren hinterlassen. Bei Florian Thate wiederum ist das Spurenlesen eine konzeptuelle Übereinkunft mit sich selbst. Auf unzähligen City Walks hat der Freiburger Künstler Schreibgeräte aller Art gefunden und diese einerseits zu Spuren erklärt, sie andererseits in sein Werk rückgeführt. So benutzte er sie als Farbmaterial für seine Zeichnungen. Während er anderen Objekten wie Schlüssel oder abgebrochenen Klingen und Schraubenziehern mit Klebeband Griffe zufügt und sie so zu Werkzeugen machte, mit denen er MDF-Platten bearbeitete. Und auch bei diesem Prozess des Gravierens, der mit der Ermüdung des Werkzeugs oder der eigenen endet, wird Kunstschaffen zu einer Erfahrung von Zeit und Raum.
Spuren können unwillkürliche Lebensbezeugungen sein oder auch Selbstvergewisserung. Und unterstellt man nicht der Kunst, Spur sein zu wollen, auch über die individuelle Lebenszeit hinaus. Die Ausstellung, die diesen Linien folgt, macht dies geradezu leichtfüßig. So übersetzt Karoline Bröckel die Flugbahn von Vögeln am Himmel oder das Fallen niedergehenden Regens auf das Papier. Auf dem Papier lässt sich dies nur durch Titel wie „o.T. (Schwalbe)“ oder „o.T. (Musik)“ entziffern. Der Ausschlag der Linie bleibt abstrakt und unverbunden zur sinnlichen Erfahrung fliegender Vögel oder einer Komposition. Und Tobias Heine erklärt eine ganz alltägliche Erfahrung zur Zeichnung. So hat er wochenlang einen gefalteten Zettel in seiner Jeans getragen – wie eine vergessene Einkaufsliste. Das Indigo hat den Falz sattblau eingefärbt, aber auch größere Flächen. Auslöser und Wirkung stehen hier in einem folgerichtigen Verhältnis.

Spurensuche. PEAC Museum. Robert-Bunsen-Str. 5, Freiburg. Di bis Fr 11 bis 17 Uhr, Sonntag und Feiertage 11 bis 17 Uhr. Bis 20. Februar 2022. Weitere Infos: www.peac.digital

Bildquellen

  • Richard Long: „Clod, Spring, Circle“, 1994, Neandertalsteine, 200 cm Durchmesser,: © VG Bild-Kunst, Bonn 2021 Foto: Bernhard Strauss
  • Tobias Heine: „time, space and tension-Papier (Cheap Monday) #4 und #5“, 2018, Jeansfarbe auf Neobond-Papier, 29,7 x 42 cm.: Foto: Bernhard Strauss