„Homeland in Transit. Artists from Hong Kong, Taipei and the Diaspora“ in der Galerie für Gegenwartskunst im Freiburger E-Werk

Es war ein veritabler Kotau, den Tsuyu 2015 machen musste. Die 17-Jährige ist zwar Mitglied einer südkoreanischen Girlband, doch Taiwanesin. Und so wurde ihr bei einer koreanischen Fernsehsendung die taiwanesische Flagge zugeteilt. Und obwohl diese identisch ist mit der chinesischen – wie sollte es anders sein – wurde es daraufhin kompliziert. Die einen warfen ihr vor gegen die Ein-China-Politik verstoßen zu haben, die anderen nicht patriotisch zu sein. Ihre offizielle Entschuldigung ist nun in der Ausstellung „Homeland in Transit“ in der Galerie für Gegenwartskunst im E-Werk zu sehen. Musquiqui Chihying hat dafür eine etwa gleichaltrige junge Frau gebeten, die Stellvertreterin der Sängerin zu geben. Zu Beginn des Videos „The Camera“ befestigt sie ihr Smartphone am Stativ. Derweil wir zuhören, wie sich Tsuyu windet, schaut die Darstellerin auf ein Blatt Papier. Natürlich gebe es nur ein China, ist da zu hören und dass sie vorübergehend ihre Karriere in China ruhen lassen werde.
Nicht grundlos lautet der Untertitel der Ausstellung „Artists from Hong Kong, Taipei and the Diaspora. Angelika Li, die diese Gruppenschau zusammen mit Heidi Brunnschweiler kuratiert hat, stammt selbst aus Hongkong und lebt seit 2017 in Basel. Am Rheinknie hat sie eine Brücke zu ihrer Heimatstadt geschlagen, auch mit Hilfe des atelier mondial-Programms der Christoph Merian Stiftung. Isaac Chong Wai etwa, der in der Galerie I eine kleine Einzelausstellung zeigt, wurde von der Stiftung als Stipendiat nach Basel eingeladen. In „The Silent Wall“ von 2013 sieht man den Künstler, wie er mit dem Rücken zur Kamera, Hand an Fassaden legt. Hier bröckelt der Putz ab, dort ist er wie weggesprengt und in einer weiteren Einstellung glaubt man Einschüsse zu erkennen. Die Arbeit ist zugleich ein Porträt von Sarajewo. In Freiburg hat er seine Auseinandersetzung mit Kriegseinwirkungen in europäischen Städten fortgesetzt. Denn auch hier finden sich Kriegsspuren wie Einschusslöcher. Isaac Chong Wai hat ihre GPS-Daten an den Sockeln mit den Abgüssen aus Glas vermerkt und zeigt zudem farbige Abriebe, die wie abstrakte Zeichnungen wirken.
Und so ist dieses „Homeland in Transit“ keine Einbahnstraße, wenn auch vorwiegend ein westliches Publikum einen Einblick in die prekären Verhältnisse in Hongkong und Taipei gewährt wird. Anson Mak etwa nimmt sich in „The Black Wall“ die Zeit für ein Porträt von Sam Chan. Die Filmemacherin begleitet die Frau, die seit ihrem zehnten Lebensjahr für die Kanton-Oper trainiert hat. Zwischenzeitlich verfolgte sie eine akademische Karriere, die sie letztlich doch für diese sehr stilisierte, traditionelle Kunstform aufgab. Man sieht, wie sich Sam Chan für die Verkörperung einer Männerrolle in einem Hongkonger Theater schminkt, wie sie von ihren Schlafstörungen erzählt, die vielleicht von ihrem Perfektionismus rühren, vielleicht aber auch von der politischen Situation nach den Sicherheitsgesetzen für Hongkong. Die Stücke der Kanton-Oper und ihre Entstehungsgeschichte werden dabei zur Folie für eine prekäre politische Gegenwart, für inneren Rückzug und Exil. Während die großformatigen Tuschezeichnungen von Oscar Chan Yik Long, die zwischen den Pfeilern und einzeln an der Wand hängen, die Welt dämonisieren und als Einflussbereich des Bösen darstellen, ist Winnie Soons Projektion „Unerasable Characters II“ formaler. Unzählige chinesische Schriftzeichen tauchen auf der Wand auf und verschwinden wieder, es sind Verweise auf Texte, die auf Weibo zensiert wurden. Manche haben daraus ihre Konsequenzen gezogen und sich auf den Weg gemacht.

Homeland in Transit. Artists from Hong Kong, Taipei and the Diaspora. Galerie für Gegenwartskunst, E-Werk, Eschholzstr. 77, Freiburg. Do 17-20 Uhr, Sa 14-20 Uhr, So 14-18 Uhr. Bis 12. November.

Bildquellen

  • In „The Black Wall“ portraitiert Anson Mak die Künstlerin Sam Chan, Filmstill: © courtesy the artist