Freiburger Schauspielschule mit „Die Farm der Tiere“ im Freiburger E-Werk

Wehret den Anfängen…

George Orwells 1945 veröffentlichte Fabel „Die Farm der Tiere“ ist eine bitterböse Satire auf den Verrat des Stalinismus an der sozialistischen Idee. Die Freiburger Schauspielschule bringt das Stück im Stile eines Brecht’schen Proletarier-Theaters auf die Experimentalbühne des Freiburger E-Werks.

Heimelig, aber auch ziemlich klaustrophobisch ist die Atmosphäre im Kellertheater der Freiburger Schauspielschule: Von der niedrigen, schwarz getünchten Decke hängen Stalllampen und tauchen den Tunnelraum in schummrig-rotes Licht, ein Teil der Publikums sitzt seitlich auf der Holzbühne, die anderen haben ein Podest direkt vor der Nase. Ein starkes Bühnenbild zeigt Regisseur Markus Schlüter da.

In der Ästhetik eines Brecht’schen Proletarier-Theaters geht es weiter: In schlichter Kleidung in uniformiertem Schlammgrau ergießt sich nun eine Horde über den Laufsteg, die schweren Stiefel stampfen im Takt der Musik von Hannah Schwegler, manche marschieren energisch, andere trotten schicksalsergeben oder trippeln nervös in der Reihe.

Wie dabei Schaf (Aileen Rohde), Hund (Jakob Stöckeler), Huhn (Jana Ludwig) oder Stute (Selina Farine) mit nur wenigen Akzenten konturiert werden, ist genauso beeindruckend, wie die energiegeladene Präsenz der jungen Schauspielerinnen und Schauspieler, die jetzt als mächtiger Chor und abwechselnd über ihr jämmerliches Leben auf der Herrenfarm berichten: Vom ständig betrunkenen Bauern, seinen Schlägen, dem knappen Futter und der nicht enden wollenden Plackerei. Nein, sie beklagen sich nicht, sie kennen es nicht anders. Aber sie sind müde und unzufrieden.

Da kommt der Traum des alten Ebers Major (Moira Pawellek) gerade recht. Mit letzter Lebenskraft erzählt er von Revolution und dem Ende der Sklaverei, von einem Leben ohne Herren und Knechte. Eine fantastische Utopie, die alle entzündet. Die schlauen Schweine sind sofort am Start – und wirklich: Wenig später verkünden Napoleon (Nils Jensen), Schneeball (Francesco Riera) und Schwatzwutz (Artur Grenz) das freie Reich des Animalismus, bilden ein Dreigestirn und erlassen die ersten Gebote. Man weiß oder ahnt es schon: Das kann nicht lange gutgehen, nicht umsonst ist Orwells Satz „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher“ bis heute bekannt.

In dieser Absehbarkeit im Mittelteil liegt dann auch die einzige Schwäche der Inszenierung: Es werden viele Ansprachen gehalten, die Indizien des Verrats aufgezählt und die Maschinerie der Machtübernahme läuft wie am Schnürchen. Statt mitzugestalten oder aufzubegehren, sind die Tiere nur am Maulen wie der Esel (Moira Pawellek), schuften sich fast zu Tode wie das Pferd (Lion Koch) oder laufen zu den Menschen über wie die Kuh (Jeanine Amacher). Etwas saftlos, wenn auch original nach Buch, kommt das auf die Bühne. Dabei wäre hier der Platz für Brüche oder gar eine Interpretation des Regisseurs gewesen. Markus Schlüter dagegen bleibt so klassisch, dass auch das erste Mal auffällt, wie geschlechtsspezifisch die Rollen besetzt sind.

Als die Schweine mit Kampfhund ins Herrenhaus ziehen, ist es schon zu spät: Erst werden die Versammlungen abgeschafft, dann verschwinden die ersten Tiere nach ihrem Verhör beim Sonderkomitee. Mit der Zuspitzung von Gewalt und Terror nimmt die Geschichte wieder Fahrt auf und entwickelt immer dann eine enorme Eindrücklichkeit, wenn die Akteure mit viel Körperspiel, Choreografien und Rhythmen erzählen. Dann ist er spürbar, der Puls dieses Lehrstücks.

Seine dringliche Botschaft: Wehret den Anfängen, bleibt wachsam! Habt den Mut an eure Visionen zu glauben, tut euch zusammen, kämpft für eine bessere Welt. Naiv?

Was: Schauspiel „Die Farm der Tiere“ nach George Orwell
Wann: 1./2. Februar, 20 Uhr, 3. Februar, 18 Uhr auf der Experimentalbühne im E-Werk, 10./17. März, 18 Uhr im Crash
Wo: Experimentalbühne im E-Werk, Ferdinand-Weiß-Straße 6a, 79106 Freiburg
Web: www.experimentalbuehne.de

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