Eine umfassende Werkschau in der Kunsthalle Messmer zeigt Marc Chagalls Werk in all seinen Facetten

Was ist noch zu Marc Chagall zu sagen? Vermutlich nicht viel. Es bleibt nur, die Intensität, unverwechselbare Farbkraft seiner Bilder immer wieder in Ausstellungen zu erleben. Daher lohnt es sich selbstverständlich, die Ausstellung „Geträumte Welten“ in der Kunsthalle Messmer zu besuchen. Rund 120 Werke des belarussisch-französischen Malers sind ausgestellt, zehn Originale, vor allem diverse Drucke, von Aquarellen, Monotypien, Radierungen zu Farblithographien. Und Fotos, äußert intime, etwa von Angela Rosengart, die Chagall und seine Frau Vava in ihrem idyllischen Haus in St. Paul de Vence besuchte. Das vielleicht schönste Foto der Ausstellung hat Chagall selbst signiert. Man sieht den sichtlich ergrauten Maler konzentriert wie entspannt beim Malen seiner irdisch-himmlischen Liebespaare.
Der von protzigen Selbstinszenierungen, Allüren und künstlerischen Programmatiken freigestellte Blick Chagalls auf Engel, Liebende, Blumen hat immer zu kontroversen Einschätzungen geführt. Manche waren berührt, überwältigt, andere sprachen von Kitsch. Die Hingabe aber wollte Chagall niemand absprechen, ebenso wenig den stattlichen Arbeitseifer, der den Mann bis zu seinem Tod beseelte. Sein letztes Bild konnte Chagall nicht mehr signieren. Darauf zu sehen: Ein Engel, der schon dabei ist, den Maler empor- und wegzutragen.
Die Himmelreiche, die Chagall zu Lebzeiten imaginierte, kann man auf den leuchtenden Bildern in der Ausstellung sehen. Nie abgehoben, vom Irdischen entrückt sind sie. Die meisten seiner ätherischen Figuren bewegen sich in einer bis ins Abstrakte aufgelösten, pulsierenden Atmosphäre strahlender Farben, sind dort in Liebe und Erotik vereint. Besonders eindrücklich zeigt dies der Zyklus „Arabische Nächte“ (1948). Chagall schrieb selbst dazu: „Die liebenden Paare der ‚Arabischen Nächte‘ sind geborgen und eingeschlossen wie Kerne im süßen, farbigen Fruchtfleisch.“ Wo der Himmel hier beginnt und wo aufhört ist nicht unbedingt klar. Im Mittelpunkt steht nicht der Horizont, sondern das Treiben der Liebenden, die sich vor dunklem Grün oder schrillem Rot greifen, fassen oder fortgetragen werden auf den Schwingen fabelhafter Kreaturen.
Apropos Horizont. Ganz konkret sind die Ortsbezüge, wenn es um Chagalls geliebtes Paris geht. Auch wenn er seine ersten künstlerischen Schritte in St. Petersburg machte, verschlug es den 1887 geborenen Maler 1911 in die französische Weltmetropole. Er blieb drei Jahre. 1923 reiste er nach einem Aufenthalt in Russland wieder nach Paris und lebte dort bis 1941. Zu dieser Zeit war Paris bekanntermaßen Versuchslabor der Avantgarden. Mit dem kubistischen Maler Robert Delaunay war Chagal befreundet, aber auch Elemente des Surrealismus finden sich in seinen Bildern. Die Gebäude und Brücken Paris‘ sind in vielen seiner Bilder den leuchtenden Figuren, Blumen, Farben gegenübergestellt oder werden förmlich in ihnen ertränkt. Auf Chagalls Bildern, so zeigt auch diese eindrückliche Ausstellung, ist ewig Hochzeitsnacht.

Die Ausstellung „Marc Chagall. Geträumte Welten“ ist bis zum 25. Februar 2024 in der Kunsthalle Messmer in Riegel zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10–17 Uhr.

Bildquellen

  • Marc Chagall: „Quai de la Tournelle“, 1960: © VG-Bildkunst, Bonn 2023