Eine gelungene Denk- und Gesprächseinladung: „The 3rd Box – männlich, weiblich, divers – und nun?“ am Theater Freiburg

Mann oder Frau – wer definiert Zuschreibungen, Rollen – und Körperbilder? Wie sieht ein Leben zwischen und außerhalb dieser Schubladen aus? „The 3rd Box – männlich, weiblich, divers – und nun?“, heißt das dritte partizipative Tanzprojekt des Choreografenteams Monica Gillette und Gary Joplin am Theater Freiburg; nach ihren beiden Krebsstücken „Die Krone an meiner Wand“ und „Grenzland“ geht es dieses Mal um das Thema Geschlechtsidentität. Dazu forschten die Mitwirkenden mittels Meditation, Text und Bewegung in den letzten Monaten intensiv über Fremd-und Selbstwahrnehmung, Körperbewusstsein und die Freiheit der Möglichkeiten. – Was Balthazar, Kit, Tao-zhi und Hannah dann in der knapp einstündigen Inszenierung auf der Werkraumbühne so authentisch wie pointiert über ihre Erfahrungen als Nicht-Binäre erzählen, ist eine gelungene Denk-und Gesprächseinladung. „Wenn wir Unsicherheiten mehr Raum geben, kann das der Anfang von etwas Neuem sein“, so ihre Intension.
Unzählige Wahlmöglichkeiten bietet das meterlange Kleiderstangen-Dreieck als einziges Bühnenelement: Eng gepackt hängen hier Jacken, Blusen und Röcke in der Farbpalette Rosa bis Blau mit allen Zwischentönen, darunter stehen ganz unterschiedliche Schuhe (Bühne und Kostüm: Charlotte Morache). Aus dem Off beschreiben die Performenden ihre Augenfarbe, Haut und Haare, selbstvergessen tanzend sieht man sie wenig später im Spot als schillernde Lichtgestalten. „Was siehst du? Wen siehst du? Sind wir anders als du?“, fragt eine ins Publikum. Auf den ersten Blick agieren da vier junge Frauen – aber so einfach ist die Sache nicht. Ihre Spurensuche entlang vieler, direkt ans Publikum gerichteten Fragen ist berührend und inspirierend: Welche Beziehung haben wir zu unserem eigenen Körper, kennen wir ihn auch außerhalb des fremden Blicks und seiner Vorurteile? Wie stehen wir zu Körperbehaarung oder Hormontherapie, zu Diversität und ihrem öffentlichen Ausdruck? Wie wichtig ist Geschlecht und was ändert sich, wenn wir binäre Normierungen aufbrechen? Die blitzschnellen Kostümwechsel sind ein lustvolles Spiel mit Sehreflexen: Es gibt hochhackige Pumps und leuchtende Feenkleider, aber auch strenge Jacketts und beige Büroblusen. Man zeigt und versteckt sich…
Dabei sind die sehr persönlichen und ganz unterschiedlich gefärbten Texte dominant, der Tanz bebildert auf der Körperebene, reicht aber bei weitem nicht an die Dynamik und Ausdruckskraft der beiden Vorgänger-Produktionen heran: Meist geht der Blick in intime Innenwelten, den Choreografien fehlt es an Vielfalt und Brüchen. Nur einmal wird es zum tollen Song „Easy“ (Musik: Sora Sam) ein bisschen wilder. – Ganz sicher hatte es dieses Projekt nicht leicht, das kurz vor seiner geplanten Premiere 2019 von Corona gestoppt wurde, dann nach fast zweijähriger Zwangspause wieder neu ansetzte und dabei rund zwei Drittel seines ursprünglichen Ensembles verlor. – Beim anschließenden Publikumsgespräch kommt viel positives Feedback: Von eindrücklichen Denkanstössen ist die Rede, es wird sich mehrfach für so viel Offenheit bedankt. Im Juli ist „The 3rd Box“ zu den Baden-Württembergischen Theatertagen nach Heilbronn und zu den Schlossfestspielen Ludwigsburg eingeladen.

Weitere Vorstellungen: 1.7., 19 Uhr, 2.7., 18 Uhr, Werkraum, Theater Freiburg

Bildquellen

  • Tao in „The 3rd Box“: Foto: Britt Schilling