Eine Bibliothek für Saatgut

Henry Kirchberger hat für seine „Saatgutbibliothek +“ eine Anerkennung der Stiftung Deutscher Architekten erhalten.

Eine Bibliothek leiht oder verkauft meist Bücher. Henry Kirchberger ist Architekturabsolvent der FH Münster und hat nun in seiner Masterarbeit eine etwas andere Art von Bibliothek entworfen, denn hier kann man Saatgut leihen. „Über 75 Prozent der Kultursorten sind im letzten Jahrhundert verschwunden, und die Diversität geht verloren“ begründet Kirchberger seine Idee. Das Prinzip ist einfach: Interessierte können sich Saatgut aus der Bibliothek leihen und bringen die entsprechende Menge nach der Anbauphase wieder zurück. So geht das Saatgut nicht verloren und vermehrt sich durch den Privatanbau.
Diese Idee ist nicht neu, die indische (Umwelt-) Aktivistin Vandana Shiva gründete 1991 eine Samenbank mit dem Namen Navdanya, welche in mehr als 150 Gemeinden in Indien repräsentiert ist und genutzt wird. Navdanya kann mit „Neun Samen“ und „Neues Geschenk“ übersetzt werden, was auf die Mission und den Zweck der Samenbank hinweist. Ziel dahinter ist es, verschiedene Samen zu erhalten und durch ökologische Landwirtschaft weiterzutragen. In zweiundzwanzig Staaten Indiens ist diese Philosophie inzwischen vertreten und hat sich in eine Bewegung entwickelt, welche sich unter anderem gegen den Klimawandel stark macht.
Kirchberger nahm sich an diesem Projekt ein Beispiel und übertrug es auf Deutschland. „Saatgutbibliothek +“ heißt sein Entwurf, da es nicht bei der Bibliothek bleiben soll. „Es ist nicht nur eine Bibliothek, sondern gleichzeitig auch ein Museum mit Ausstellungen. Außerdem gibt es öffentlich zugängliche Forschungsabteilungen.“ Für seine Thesis wurde Kirchberger eine dotierte Anerkennung der Stiftung Deutscher Architekten verliehen.
„Saatgutbibliothek +“ ist jedoch nicht die einzige Saatgutbibliothekidee Deutschlands. Die Schweizer Stiftung ProSpecieRara wurde 1982 gegründet und engagiert sich für das Überleben von bedrohten Nutztierrassen und das Bewahren von Kulturpflanzen, die vom Aussterben bedroht sind. Seit 2011 gibt es die gemeinnützige GmbH ProSpeciaRara Deutschland mit Sitz in Freiburg. Neben weiteren Projekten beheimatet ProSpecieRara auch eine Saatbank, welche Gärtner*innen ihre Sorten frei zur Verfügung stellt. Und auch in weiteren Städten Deutschlands lassen sich immer mehr Saatgutbibliotheken, nicht selten als Teil klassischer Bibliotheken, finden. Alte Pflanzenarten erfreuen sich vermehrter Beliebtheit, sind aber so gut wie nie im Handel zu ergattern. Doch so manch*e Hobbygärtner*in ist in Saatgutbibliotheken fündig geworden.

Bildquellen

  • Henry Kirchberger hat für seine „Saatgutbibliothek +“ eine Anerkennung der Stiftung Deutscher Architekten erhalten.: (Foto: privat)
  • Hier ist ein Ausstellungsgang zu sehen.: (Grafik: Henry Kirchberger)