Eine Ausstellung beleuchtet die Rolle des Kolonialismus in Freiburg und seine Folgen für die Gegenwart

Wer 1935 den Freiburger Kolonialtag besuchte, wird im Stadtgarten an einer Art Diorama vorbeigekommen sein, das an einen Erntedankaltar erinnerte. Nur, dass der Friedensschluss nach dem Ersten Weltkrieg jede weitere Ernte verhinderte. Unter einer Reiterstatue eines deutschen Soldaten, der die Ehrerbietung eines Schwarzen entgegennahm – mit dem entsprechenden hierarchischen Gefälle – stand auf einem Schild „Was wir in Versailles verloren haben“. Daneben war ein Sack Usambara-Kaffee und Kakao aufgestellt, links stand eine Palme. Unter Nationalsozialisten war die Trauer um das Ende der deutschen Kolonialmacht groß. Tatsächlich gab es Kontinuitäten, etwa den Expansionsdrang und die nationalsozialistische Rassenideologie. Die Aufnahme zeigt, dass in Freiburg, auch wenn die Stadt keine große Rolle im Kolonialismus spielte, rassistische Ideen und Ressentiments gediehen. Die Ausstellung im Augustinermuseum „Freiburg und Kolonialismus. Gestern? Heute!“ geht noch einen Schritt weiter und setzt auch zu einer Überprüfung der Gegenwart an.
In den letzten Jahren haben wichtige Publikationen die Diskussionen um Raubkunst, nicht zuletzt um die Rückgabe der Benin-Bronzen vertieft und vorangetrieben. Vor allem die in Berlin lehrende Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy hat dazu beigetragen, die Debatte über ein Fachpublikum hinaus zu verbreiten. In diesem Jahr wurde eine gemeinsame Erklärung zwischen Nigeria und Deutschland über die Rückgabe der Kunstschätze unterzeichnet.
1895 wurde das „Natur- und Völkerkundemuseum“ als erstes städtisches Museum Freiburgs gegründet und vier Jahre später eröffnet. Die Sammlung wuchs durch Ankäufe von Kolonialbeamten, die nicht selten mit Museen zusammenarbeiten. Viele Exponate gelangten auch durch Schenkungen von Bürgerinnen und Bürgern in die Sammlung, deren Familienmitglieder in den ehemaligen deutschen Kolonien missioniert hatten oder an der Unterdrückung und Ausbeutung der Einheimischen beteiligt waren. Exotische Waren hatten Ende des 19. Jahrhundert die Freiburger Haushalte erreicht, das Freiburger Adressbuch von 1914 kannte 178 Kolonialgeschäfte. Ihre Waren waren erschwinglich, da ihre Produktion und der Handel mit Ausbeutung einhergingen. Manche Unternehmen bezogen ihren Kaffee von eigenen Plantagen. Zum 100-jährigen Bestehen des Museums erforschte es seine eigene Geschichte, insbesondere die Bedeutung der Völkerschauen, aus denen Exponate in die universitäre Sammlung gelangten und die Darstellung des Fremden.
„Freiburg und Kolonialismus. Gestern? Heute!“ versteht sich als partizipatives Ausstellungsprojekt. So gaben die städtischen Museen eine Fotoarbeit über die Spuren des deutschen Kolonialismus in Tansania bei der Kuratorin Aino Ndiwakalunga Moongo in Auftrag, der deutsch-nigerianische Künstler Emeka Udemba ist mit einer Skulptur vertreten und Freiburger Haushalte haben Objekte beigetragen. Der Klammerbeutel mit dem Kopf einer schwarzen Frau, das Kindergeschirr mit den vermeintlich lustigen Illustrationen, der Schirmständer, der aus einem Elefantenfuß gearbeitet wurde (er stammt von Max Knecht, der 1935 die Freiburger Kolonialtagung organisierte), sprechen für sich. Die Auswahl der Objekte unter Glasstürzen, die im oberen Raum gezeigt wurden, beruht auf einem digitalen Workshop mit der Universität von Namibia, bei dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Gegenstände aus dem Zentralen Depot auswählten und in Folge deren Bedeutung und Gebrauch besprachen und sie sich so wieder aneigneten. Das verlangt von den Betrachterinnen und Betrachtern eine ständige Kontextualisierung, die zu Lasten einer Klarheit der Darstellung geht als ob diese Ausstellung aus vielen bestände. So findet sich in einer Vitrine in der Nähe der ausgewählten Objekte aus dem Depot etwa ein Beutel, den Mädchen einer Missionsschule herstellen mussten, um Spenden für – ihre eigene – Missionierung zu generieren. Die Kolonialismus-Ausstellung will vor allem im Hinblick für das Heute viel. Anschauen sollte man sie sich. Weil aus der Geschichte Vergangenheit erwächst, weil der Zoll immer noch geschmuggelte Elefantenfüße findet und Rassismus nicht überwunden ist. Doch es tut sich etwas: die Stiftung Preußischer Kulturbesitzt gibt 512 Benin-Bronzen an Nigeria zurück.
Freiburg und Kolonialismus. Gestern? Heute! Augustinermuseum, Augustinerplatz, Freiburg. Di 10 bis 19 Uhr, Mi bis So 10 bis 17 Uhr. Bis 11. Juni 2023. www.freiburg.de

Bildquellen

  • Nashornschädel, um 1910: Foto: Patrick Seeger