Die Straßburger Opéra national du Rhin begeistert mit einer bemerkenswerten „Madame Butterfly“

„Madame Butterfly“ © Klara Beck

In Schönheit gegossene Tragik, zu Musik gewordener Schmerz – Giacomo Puccinis zeitlose Oper „Madame Butterfly“ berührt in ihrer emotionalen Intensität. Die Straßburger Neuproduktion, ästhetisch inszeniert von Mariano Pensotti und sensibel dirigiert von Giuliano Carella, bietet eindringliches Musiktheater auf hohem Niveau! Man kann es kaum glauben, was hier im Straßburger Opernhaus schon alles möglich ist. Große Nähe zwischen den Solisten auf der Bühne, ein über die Hälfte besetztes Opernhaus, eine Pause nach dem 1. Akt. Da beim Einlass aber keine negativen Coronatests oder Impfnachweise verlangt werden, entsteht beim Rezensenten trotz der Maskenpflicht dann aber doch ein leicht flaues Gefühl im Parkett. Das Publikum scheint sich aber rundum wohl zu fühlen und feiert den intensiven Abend mit rhythmischem Klatschen.
Von Beginn an ist zu spüren, dass die Geschichte der Madame Butterfly genannten Geisha Cio-Cio-San, die der amerikanische Marineleutnant Pinkerton zur Braut gewählt hat, in einer Katastrophe endet, auch wenn die Protagonistin noch gar nicht auf der Bühne ist. Das Tiny House, in dem ihr neues Leben mit dem Mann aus dem Westen beginnen soll, ist schwarz und hat keine Fenster. Ein verdorrter Baum hängt vom Schnürboden, von der Natur sind nur zwei Baumstümpfe geblieben (Ausstattung: Mariana Tirantte). Die Personen bewegen sie in Zeitlupe, auch das Haus rollt langsam, wie von Geisterhand bewegt, über die Bühne. Der argentinische Regisseur Mariano Pensotti verzichtet auf jedes Japanklischee. Er setzt auf eine klare Schwarzweiß-Ästhetik und vertraut auf eine symbolhafte Bildsprache. Vor allem Dirigent Giuliano Carella ist dafür verantwortlich, dass der Abend von Beginn an Sogwirkung entstehen lässt. Unter seiner Führung klingen die Streicher des Orchestre philharmonique de Strasbourg selbst in der trockenen Akustik des Opernhauses warm und homogen. Carella lässt Puccinis Musik Raum zum Atmen. Er sorgt für die Farben, die auf der Bühne bewusst fehlen und ergänzt die starken optischen Kontraste mit einer Vielzahl von Zwischentönen. Brigitta Kele ist als Madame Butterfly kein schüchternes fünfzehnjähriges Mädchen, sondern eine äußerst präsente Erscheinung, und das nicht nur wegen ihrer langen schwarzen Schleppe, die sie beim ersten Auftritt trägt. Mit ihrem farbenreichen Sopran erzählt sie von der seelischen Tiefe dieser Frau, die nach der Hochzeit drei Jahre wartet, bis der Treulose am Ende mit seiner amerikanischen Frau (Eugénie Joneau als Kate Pinkerton) zurückkehrt, um der von der Gesellschaft Verstoßenen auch noch das gemeinsame Kind zu entreißen. Leonardo Capalbo ist ein Pinkerton mit Tenorschmelz und guter Linienführung. Tassis Christoyannis verleiht Sharpless, dem amerikanischen Konsul, Wärme und Empathie
Im zweiten Akt wird das jetzt durchsichtige, von einem kahlen Baum bewohnte Haus Wand für Wand abgetragen, ehe Butterfly und ihre Dienerin Suzuki (empfindsam: Marie Karall) keine Heimstatt mehr haben. Im dritten schwebt es, auf den Kopf gestellt, wie ein Damokles-Schwert von der Decke. „Tutto è finito“, alles ist zu Ende, singt Brigitta Keles Butterfly mit Schmerz in der Stimme, als sie von Suzuki die ganze Wahrheit erfährt. Sie möchte wie ihr Vater ehrenvoll sterben, weil sie nicht mehr in Ehren leben kann. Den Suizid inszeniert Mariano Pensotti dezent im Hintergrund. Die Katastrophe hört man nur in der Musik.

Weitere Infos: www.operanationaldurhin.eu

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  • „Madame Butterfly“ berührt in ihrer emotionalien Intensität: © Klara Beck