Der Schriftsteller und Künstler Peter Frömmig blickt in seinem neuen Buch zurück auf das eigene Leben und die Literatur im Nachkriegsdeutschland

Peter Frömmig

Ein bewegtes Leben. Soll das Phrase nennen, wer will, auf Peter Frömmigs Weg trifft es zu. Geboren 1946 in der Region um Leipzig, geflohen 1954 mit der Familie aus der DDR, erst die Ausbildung zum Feinmechaniker, dann der Weg zu Literatur, Theater und Bildender Kunst mit den Stationen Köln, Salzburg, den USA und auch Freiburg, einer Stadt, der Frömmig von 1981–1995 treu blieb. Auf dem Weg schichten sich Begegnungen, Auseinandersetzungen, „Sedimente“, wie Frömmig sie nennen würde.
„Sedimente der Zeit“ heißt Peter Frömmigs neu erschienener Band mit Essays und Erzählungen, eine Vermessung der Topografie des eigenen Lebens. Oder ist es nicht das Leben, das der Künstler durch die Leben anderer Künstler erkennt? Auf viele Namen von Vorbildern und Weggefährt*innen stößt man bei der Lektüre, darunter große Namen wie Werner Herzog, Peter Handke, Marie Luise Kaschnitz, Michael Ende, Robert Walser, H.C. Artmann, Ezra Pound oder Dylan Thomas. Aber auch ein großer Bekannter wie der 2020 verstorbene in Freiburg schaffende Autor und Grafiker Christoph Meckel ist darunter. Ihm war Peter Frömmig nahe, persönlich wie im künstlerischen Blick: „Durch Christoph Meckels sprachschöpferische Wiedergewinnung werden jene weit entfernten Jahre des Nachkriegs wieder fassbar und lebendig gemacht.“
Fassbar und lebendig werden bei Frömmig nicht nur die vielzähligen und in respektvoller Geste geschriebenen Portraits, sondern auch die Stationen des eigenen Lebens. Der Mittelteil des Buchs verweist unter dem Titel „Wege ins Offene“ auf die Entdeckergesten des Autors, dem der Aufbruch aus vermeintlich sicheren Verhältnissen stets mitgegeben war. Ebenso die „Lust zur Abschweifung“. Denn zielgerichtet nacherzählend bewegt sich Peter Frömmig nicht durch die Sedimente. Vielmehr reißt er punktuell Panoramen vor den Augen der Lesenden auf. Beispielgebend ist die wilde Zeit, die Frömmig im schicksalsträchtigen Jahr 1968 in Salzburg verbringt, eingeladen an die Dramatische Werkstatt Salzburg, einquartiert in „eine Art Gartenhäuschen“. In diesem durchaus romantischen Verschlag und in echter Beat-Geste eines Jack Keruac entwirft Peter Frömmig „fieberhaft“ auf DIN A5 Blättern sein Theaterstück „Konfrontationen“.
In den USA ist Frömmig sieben Jahre später kein Schriftsteller mehr, sondern Bildender Künstler, der mit einem Vortrag in der Fine Arts Gallery der University of Idaho ironischerweise vor allem Schriftsteller und Poeten beeindruckte. Rückblickend gewinnt Frömmig den Blick auf die Bildende Kunst als Universalsprache, die nicht nur dem Fremdsprachler in den USA aushilft, sondern allen Menschen bei der Kommunikation.
Universell berührt und weltgereist trifft Peter Frömmig 1981 im Breisgau ein und verkündet: Nie hätte er so gerne in einer Stadt gelebt wie damals in Freiburg. Dieser zugewandte, schätzende Blick ist auch das, was Peter Frömmigs sprachschöpferische Wiedergewinnung des eigenen Lebens und das anderer Schriftsteller*innen ausmacht. Interessiert am Blick der anderen, im Dialog mit dem eigenen Blick ist der Gang durch die Sedimente eine wissensreiche Begegnung mit dem literarischen Erbe Deutschlands nach dem Krieg und ein Appell für den steten Aufbruch und die lustvolle Abschweifung.

Peter Frömmig, „Sedimente der Zeit. Essays und Erzählungen“. Pop Verlag 2022.

Bildquellen

  • Peter Frömmig: Foto: Privat
  • Peter Frömmigs neues Buch: Copyright: Pop Verlag 2022.