InterviewMixtape

„Der linke Widerstand ist zermürbend“: Im Gespräch mit Pablo Charlemoine alias Mal Élevé, Rapper und ehemaliges Mitglied von Irie Révoltés

Pablo Charlemoine alias Mal Élevé wuchs als Kind einer deutschen Mutter und eines französischen Vaters auf. Mal Élevé, was übersetzt so viel wie „schlecht erzogen“ bedeutet, ist kein neues Gesicht im Musikbusiness. Als Gründungsmitglied der 2017 aufgelösten Heidelberger Band Irie Révoltés, hat er seit jeher politisches Engagement mit musikalischer Raffinesse verbunden. Heute ist Pablo als Solokünstler unterwegs – an seiner Seite steht sein Kollege Osy Ris, mit dem er in diesem Jahr das Album „Amour & Résistance“ veröffentlichte. Linker Widerstand und das (Er)Träumen von Utopien gehen hier Hand in Hand mit Dancehall, Reggae, Ska, Punk und Rap. Elisabeth Jockers sprach mit ihm.

Kultur Joker: Liebe und Widerstand sind titelgebend für das Album und die Tour. An was fehlt es linkem Widerstand heute? Liebe? Oder gibt es ein Problem mit der Schwerpunktsetzung?

Pablo: Das ist eine gute Frage. Es fehlt an Beidem. An der Liebe zueinander, aber auch an der Schwerpunktsetzung. Der linke Widerstand ist sehr zermürbend, was auch an der Vielfalt und Schwere unserer Themen liegt. Wir haben heute viele Brände zu löschen. Ich finde aber auch, dass uns das bereits besser gelingt, als noch vor einigen Jahren. Auch, weil wir intersektionaler arbeiten und uns besser vernetzen. Dennoch muss linker Widerstand weiter daran arbeiten, über die eigene Betroffenheit hinweg engagiert zu sein. Der gegenseitige Support fehlt auch heute noch.

Kultur Joker: Deine Musik ist und wahr schon immer politisch. Welche Verantwortung tragen Künstler:innen eigentlich? Darf man vorsätzlich straucheln?

Pablo: Künstler:innen haben eine Verantwortung und für mich ist Musik etwas so persönliches, dass ich automatisch politisch werde. Das ist für mich nicht zu trennen. Es bedarf aber auch einer Standhaftigkeit, seine Meinung öffentlich zu vertreten und auch negative Reaktionen auszuhalten. Das fehlt mir heute bei vielen Künstler:innen.

Kultur Joker: Du gibst auch Rap-Workshops an Schulen.

Pablo: Ja, da geht es auch immer wieder darum, was die Kids an Musik hören und was die Inhalte mit ihnen machen. Wenn sie dort menschenverachtende und sexistische Lines hören, hat das natürlich einen Effekt. Wenn ich daran denke, wie ich mit 13 oder 15 Jahren war, dann habe ich natürlich zu den Musiker:innen aufgesehen, die ich gehört habe. Dort haben wir eine Vorbildfunktion.

Kultur Joker: Wie nimmst du das Klima unter den Kids wahr?

Pablo: Da herrscht viel Resignation. Einige wollen nichts von Politik wissen, andere radikalisieren sich. Rechte Parolen, menschenverachtende Ideologien und ein darwinistisches Weltbild ist wieder voll im Trend. Manche suchen nach einfachen Lösungen, andere nach Autoritäten, die sie bei den Inhalten der rechtspopulistischen Parteien auf Social Media finden. Die instrumentalisieren diese Plattformen natürlich bewusst und treffen dort auf Millionen frustrierte Teenager:innen.

Kultur Joker: Das neue Album ist gemeinsam mit Osy entstanden. Erzähl uns doch was zum Entstehungsprozess.

Pablo: Osy steht seit drei Jahren als Backup-MC mit mir auf der Bühne, uns verbindet eine lange Freundschaft. Mir war aber wichtig, dass er mehr machen kann und dann haben wir relativ schnell entschieden, eine gemeinsame EP zu machen – daraus entstand 2023 die Dream-EP. Die Zusammenarbeit hat so gut funktioniert, dass klar war, dass wir auch ein Album zusammen machen müssen. Ursprünglich sollte jeder vier eigene Songs auf dem Album haben, am Ende rappen wir jetzt aber doch auf den meisten gemeinsam.

Kultur Joker: Das klingt nach einer sehr fruchtbaren Zusammenarbeit. Sind weitere Projekte geplant?

Pablo: Osy wird nächstes Jahr erstmal eigene Projekte haben, aber wir möchten auf jeden Fall wieder gemeinsam veröffentlichen!

Kultur Joker: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Bildquellen

  • Die Crew: Jan Pfennig (links), Pablo (vorne mitte), Osy (hinten mitte) und Paolo Valente (rechts): © Christoph Mangler