Das Private ist dramatisch: Im Theater Freiburg treibt die „Mutter.Liebe“ einen Keil zwischen die Mutter und die Liebe

Theatergeschichtlich gesehen ist Mutterschaft immer erst dann bühnentauglich gewesen, wenn Frauen sich ihrer entledigen (Gretchen, Medea) oder den Umweg nehmen und den Sohn zum Gatten machen und mit ihm schlafen. Doch dann sind sie noch nicht einmal titeltauglich, sondern müssen, wie Sophokles gezeigt hat, dem Kind den fragwürdigen Ruhm lassen. Bislang reichte es eher nicht, Mutterschaft als dramatisch anzusehen, es brauchte schon eine schwierige Familie. Susanne Heinrich hat nun ihren Text „Mutter.Liebe“ gleich selbst am Theater Freiburg uraufgeführt. Und vermutlich wird ein Großteil der Frauen im Publikum (und auch der Männer) die gut 80-minütige Inszenierung im Kleinen Haus mit etwas Nostalgie betrachten oder einen Babysitter gefunden haben.
Die junge Frau (Lou Friedmann) ist gerade erst mit dem Baby nach Hause zurückgekehrt. Ihr Partner (Thieß Brammer) trägt etwas, dessen Schnitt und Farbe irgendwie nach Klinik aussieht (Kostüm: Laura Yasemin Schäffler). Im Wohnzimmer hat sie auf dem Sofa Platz genommen, das Baby auf dem Schoß, hinter sich eine Wand mit kunsthistorischen Highlights: Jean Fouquet, Frida Kahlo, Gustav Klimt, sie alle haben Mutter-Kind-Bilder gemalt, meist ist es Maria und Jesus (Bühne: Miren Oller, Nadja Götze). Doch bevor es richtig los geht, laufen auf einer schmalen Projektionsfläche darüber Aufnahmen von Eltern aus Freiburg, wie sie dabei sind, Erinnerungen an eine glückliche Kindheit zu schaffen: Luftballons, mit dem Kinderwagen durch riesige Seifenblasen fahren, dann wieder Paare, schwangere Frauen (Video: Agnesh Pahozdi). Die Messlatte hängt definitiv hoch. Heinrich hat ihren Figuren sprechende Namen gegeben, zu den jungen Eltern gesellen sich die Mutter der Frau (Marieke Krigel) und eine Freundin (Angela Falkenhan) und School of Life and Dance (Choreografie: Graham Smith) sowie der Kinder- und Jugendchor des Theater Freiburg. Statt Eigennamen zu tragen, heißen sie „die miserable Mutter“ und „Peter Pan“. Das klingt ein bisschen ironisch sowie nach Gesellschaftsbezug, doch damit ist leider schon viel gesagt. Die Mutter wird gar keine schlechte werden, sich aber miserabel fühlen, der Vater jedoch nicht in seine neue Rolle wachsen. Eine wirkliche Chance hatten sie nie.
Das Publikum begleitet das Paar bei dieser eigentlich nicht vorhandenen Entwicklung, die vor allem eine Entfremdung ist, vom ersten Kapitel „Das Projekt Elternschaft“ bis hin zum letzten, es ist ausgerechnet das 13., mit dem Titel „Das Ende der Liebe“. Dazwischen stehen „Mütter in der Küche“, es werden „Zärtlichkeiten“ ausgetauscht und dann geht es noch um „Die Verteilung der Zuständigkeiten“. Es werden Teller gewaschen und abgetrocknet, ein riesiger Wäscheberg bestiegen, ein Work-out gemacht, während die Wiege mit der Babypuppe über der Mutter schwebt. Ein Lächeln des Kindes und die Welt wird heil, aber es ist eben auch ständig etwas zu tun, zu versorgen, zu pflegen. Stichwort: Regretting Motherhood. Einmal fegt sie alle Plüschtiere vom Schreibtisch, doch zum Arbeiten wird die junge Frau dennoch nicht kommen, das Kind schreit. „Mutter.Liebe“ ist von der Struktur eine Nummernrevue mit leidlich vorhersehbarer Handlung. Denn es stimmt ja nicht, dass keiner davor warnt, dass Kinder alles verändern, so wie auch Kinderlose vor Einsamkeit gewarnt werden und man überhaupt – sollte man dieser Logik folgen – dann vor dem Leben grundsätzlich nur warnen kann. Denn man bleibt sich ja nicht gleich. Und ja, es ist ungerecht und am Ende alles eine Frage der Biologie. Aber ist es nicht auch ungerecht, dass Pflegepersonal und Kassiererinnen unverhältnismäßig wenig Geld bekommen? Nur, sind sie eben nicht ganz so sprachmächtig und gehören möglicherweise auch einer anderen Klasse an. Heinrich spricht vieles an, was gesellschaftliche Lösungen verlangt, und auch das Ensemble agiert glaubwürdig, aber oft wird hier nur das Altbekannte verhandelt und das ist ziemlich banal.

Weitere Vorstellungen: 14. April und 14. Mai im Kleinen Haus, Theater Freiburg.

Bildquellen

  • Lou Friedmann: Foto: Laura Nickel