Das Kunstmuseum Basel zeigt Camille Pissarro als einen Begründer der Moderne

Camille Pissarro: „Portrait de Félix Pissarro“, 1881, Öl auf Leinwand,
© Tate Images

Es würde zu kurz greifen, Camille Pissarro, dem Maler des Ländlichen, Edgar Degas, dem Maler der Stadt gegenüberzustellen. Pissarro konnte beides und als er in den 1890er Jahren sich für Wochen und Monate in Hotels einmietete, um etwa den Boulevard Montmartre oder die Seine-Kais von Rouen zu malen, machte sich dies für Pissarro durchaus bezahlt. Die Bilder, die von der Dynamik und Lebenslust der Städte gespeist waren, Handel und Mobilität vorführt, waren ein kommerzieller Erfolg. Erstmals litt die große Familie keine wirtschaftliche Not.
Doch der 1830 geborene Camille Pissaro begann seine künstlerische Laufbahn mit dem Widerstand gegen Autoritäten. Wäre es nach seinen Eltern gegangen Camille Pissaro hätte das Geschäft der Familie auf der Antilleninsel St. Thomas übernommen. Doch so zog Pissarro 1855 nach Paris, um zu malen. Dort bemühte er sich nicht etwa um Anschluss an der Akademie oder eine bekannte Schule, sondern besuchte die Académie Suisse, die trotz ihres Namens ein offenes Atelier war. Hier lernt er Claude Monet, Paul Cézanne und Armand Guillaumin kennen. Es ist kein Zufall, dass im Kunstmuseum Basel viele Szenen aus dem bretonischen Dorf Montfoucault zu sehen sind. Mit seiner Familie verbrachte er viel Zeit bei dem Maler Ludovic Piette, mit dem er befreundet war. Vielleicht liegt es an dieser Liebe zum Ländlichen, was ihn im Vergleich zu seinen Kollegen weniger bekannt werden ließ.
Sein Misstrauen gegenüber der herrschenden Meinung sollte sich immer wieder äußern. So war Camille Pissarro ein überzeugter Anarchist, der die Bewegung auch durch Bilderspenden unterstützte und er nahm Partei in der Dreyfus-Affäre ein, 1894 flieht Pissarro, der selbst aus einer jüdischen Familie stammte, nach Belgien, kann jedoch bald wieder nach Frankreich zurückkehren. Und nicht zuletzt ist es seine impressionistische Malweise, die sich vom vorherrschenden akademischen Stil unterschied.
In Hotelzimmern zu malen, wäre Pissarro lange nicht in den Sinn gekommen. Tatsächlich hatte er im Alter Probleme mit den Augen bekommen, und auch zuvor schon als er die pointillistische Malweise annahm, zog er sich zum Arbeiten ins Atelier zurück. Doch Camille Pissarro war eigentlich überzeugter Plein-air-Maler, ganz im Sinne des Impressionismus. 1873 etwa malt er ein Kohlfeld, das aufgrund des „nicht bildwürdigen Motivs“ auf Ablehnung stößt. Der Titel der Ausstellung im Kunstmuseum Basel „Das Atelier der Moderne“ geht daher ein bisschen fehl. Es gibt sie die Kooperationen mit Edgar Degas und Mary Cassatt (mehr von ihr ist derzeit in der Fondation Beyeler zu sehen). Das Trio schafft Drucke, aber auch Entwürfe für Fächer, die sich auf das städtische Leben beziehen. Doch Pissarros Atelier ist eigentlich das Land. Er malt Frauen bei der Apfelernte, eine Mutter, die mit der Feldarbeit beschäftigt ist mit ihrem Kind, eine Frau mit einem ausgesucht hübschen Kopftuch. Die charakteristischen, kegelförmigen Heuhaufen, wie sie auch Monet gemalt hat. Ein bisschen scheint es, als hätten die Menschen in Paris Freizeit, die sie mit Theater, Restaurantbesuchen, Feiern verbrächten, während das Leben auf dem Land ausschließlich aus Arbeit besteht. Pissarro wird sich dieser Bedeutung bewusst gewesen sein. Eine anonyme Fotografie zeigt ihn und weitere neun Familienmitglieder auf einem Heuhaufen sitzend und lagernd. Das Landleben war nicht nur ein idyllisches Motiv, es trug auch zum Lebensunterhalt der Familie bei.
Was die Basler Ausstellung veranschaulicht, ist der enge Zusammenhalt der Impressionisten, die sich draußen zum Malen trafen und oft die Staffelei nebeneinander aufstellten. Indem das Kunstmuseum Basel nicht ausschließlich Werke von Pissarro zeigt, sondern auch Vergleichsbeispiele seiner Kollegen, wird deutlich, was ihn auszeichnete: den Menschen in der Landschaft und eine Malweise, die oft flächiger ist als die der anderen Impressionisten. Da sind Verwandtschaften, doch wie Pissarro etwa Stillleben mal, in Basel ist eine Reihe mit Chrysanthemen in einer chinesischen Vase, mit Birnen sowie Äpfeln vor immer der gleichen Tapete mit dem Rosenmuster, sollte man gesehen haben.

Camille Pissarro, Das Atelier der Moderne. Kunstmuseum Basel, St. Alban-Graben 16, Basel. Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr. Bis 23. Januar 2022.

Bildquellen

  • Camille Pissarro: „Portrait de Félix Pissarro“, 1881, Öl auf Leinwand, © Tate Images: © Tate Images
  • Camille Pissarro: „Les Glaneuses“, 1889, Öl auf Leinwand,: © Kunstmuseum Basel - Jonas Haenggi