Auf einen Kaffee mit … Sarah alias Tina Turnup

Es ist einer der ersten heißen Sommertage im Mai. Ich betrete eilig den Innenhof eines Cafés in der Freiburger Innenstadt, als mir eine junge Frau entgegenkommt. Groß, langes Haar, cooler Style – mit einem Eiskaffee und einer Limo in der Hand lächelt sie mir entgegen. Es ist Sarah alias Tina Turnup, Rapperin aus Freiburg, vielen bekannt als Teil des ehemaligen Duos Palas. Wir sind zum Interview verabredet, das in einer angeregten, knapp zweistündigen Unterhaltung über Rap, Spiritualität und Feminismus endet.
Ihren musikalischen Werdegang beschreibt Sarah zunächst als ‚klassisch‘. Mit Klavierunterricht hat es angefangen, später sang sie im Chor der Schule, besuchte Gesangsunterricht. Sie merkte schnell, dass sie Künstlerin sein möchte und probierte sich in verschiedenen Disziplinen – Fotografie, Malerei, Tanz, Gesang – bis sie merkte, dass Musik das ist, was sie wirklich glücklich macht. Sie zog nach Freiburg und besuchte die Jazz und Rockschule. „Nebenbei habe ich viel Conscious Rap und Jazz gehört – meine musikalischen Interessen sind sehr vielseitig. Diese Vielseitigkeit hat mir in der Ausbildung zur Sängerin gefehlt – es musste alles immer perfekt sein, die perfekten Töne zum perfekten Arrangement. Ich habe das Künstlerische vermisst, die Note, die von mir selbst in die Musik einfließt“, erzählt sie nachdenklich. „Die konnten alle wie Mariah Carey singen – ich nicht“, Sarah lacht. Aus der jahrelangen Arbeit mit professionellen Sänger*innen lernte sie viel – vor allem wusste sie danach, wer sie nicht sein möchte. „Ich habe mich manchmal wie der Oberfreak gefühlt und wollte eigentlich immer nur rappen“, gesteht sie.
In dieser Zeit traf sie Gianna alias Babylit wieder – beide kannten sich aus dem Jazzstudium, beide wollten rappen, beide waren bossy. So war Palas geboren – eine Female Rap-Crew, die in den vergangenen Jahren mit Tracks wie ‚Giftig‘, ‚Vallah‘ oder ‚Bossy‘ für einigen Wirbel in Deutschland sorgten. Ein Signing bei 365xx, dem ersten all fe:male Hip Hop Label Europas, folgte. Ihren signature Sound beschreibt Sarah als ‚Witch-Trap‘ – die feministische Antwort zum alphamännlichen Rap-Business.
„Ich bin in Männerkreisen aufgewachsen, wo ich das Gefühl hatte, meine Weiblichkeit verstecken zu müssen, um ernst genommen zu werden. Das ist im Rap nicht anders.“ Mittlerweile gibt es jedoch eine Gegenbewegung, fügt sie hinzu. Und diese Selbstermächtigung des Weiblichen gibt anderen Frauen den Mut und das Selbstbewusstsein, es selbst zu probieren.
Apropos Selbstermächtigung: Wir sprechen über ihre Musikvideos, in denen Sarah sich rhythmisch zur Musik bewegt und twerked. Sie stellt fest, dass Feminismus noch immer wahnsinnig viel Aufklärungsarbeit leisten muss. „Ich finds krass, dass der male gaze ‚Du kannst nur sexy für einen Mann tanzen‘ so präsent ist. Ich muss immer noch Frauen und Männern erklären, dass ich das für mich mache – nicht, um eine gewisse Reaktion von einem Mann zu bekommen, sondern als Ausdruck meiner selbst.“ Im Sommer plant sie eine Tanzreise durch Jamaica. „Ich tanze Dancehall und freue mich schon wahnsinnig darauf, von den Tanzlehrer*innen dort zu lernen, die Musik aufzusaugen und die Kultur kennenzulernen.“ Während Sarah spricht, beginnen ihre Augen zu strahlen.
Was die Künstlerin so interessant macht, die vor mir im Café sitzt? Da gibt’s nicht nur eine Facette, es sind die vielseitigen Interessen, die ihre Musik prägen und besonders machen. Sie ist Rapperin, Graffitikünstlerin, spirituell, hat eine Ausbildung als Yogalehrerin und meditiert täglich. Das mag für manche nicht ganz mit dem klischeehaften Bild einer toughen Rapperin zusammenpassen – gut so. Denn in der Musikbranche (nicht nur im Rap, liebe Leser*innen), werden Frauen noch immer radikal unverschämt sexualisiert – wer sich hier treu bleibt, ebnet den Weg für zukünftige Künstlerinnen, die sich nicht mehr länger hinter dem stigmatisierten Frauenbild einer längst überholten Männerfantasie verstecken möchten.

Bildquellen

  • Tina Turnup: Foto: Elisabeth Jockers