„Art`Rhena-Kulturinsel“: Kunst und Kultur als völkerverbindende Kraft

Im Oktober 2021 hat die „Art`Rhena-Kulturinsel“ ihren Betrieb unweit hinter der Rheinbrücke auf der Rheinhalbinsel zwischen Vogelgrun im Elsass und Breisach in Deutschland aufgenommen.Vorausgegangen waren mehrere Jahre der Planung und die Bauzeit des imposanten und architektonisch reizvoll ins Auge fallenden Kulturzentrums. Das Art`Rhena-Projekt wurde vom Kommunalverband Communauté de Communes Pays Rhin-Brisach in Partnerschaft mit der Stadt Breisach initiiert und wird nun von dieser Kooperation getragen. Die Realisierung des Gebäudes und der großzügigen Außenanlagen wurde durch die Unterstützung von Europa (Interreg Oberrhein), dem Französischen Staat, der Region Grand Est und der Stadt Breisach ermöglicht.
Yasmin Ulrich, bei Art`Rhena zuständig für Kommunikation, Presse und PR beschreibt das programmatische Credo: „Wir wollen hier mit dem deutsch-französischen Projekt Art`Rhena in möglichst engem Kontakt mit der ansässigen Bevölkerung die kulturellen Brücken zwischen den Menschen der Oberrheinregion auf beiden Seiten des Rheins auf vielfältige Weise und generationenübergreifend verbreitern und ausbauen. Dafür entwickeln wir jeweils für die Saison von Oktober bis Juni-Juli ein umfangreiches künstlerisches und kulturelles Veranstaltungs- und Mitmachprogramm aus vielen Sparten.“ Ziel sei, als zweisprachiges kulturelles Forum grenz­überschreitende Begegnungen, Entdeckungen und den gegenseitigen Austausch allseitig zu fördern.
Dem ersten Programm lag laut Ulrich eine breite Bürger­umfrage als Basis zu Grunde. „Wir verfolgen keinen elitären Kunst- und Kulturansatz. Wichtig ist uns eine lebendige Mischung verschiedener Genres, die einen breiten Bevölkerungsquerschnitt aller Generationen anspricht. Dabei versuchen wir, die vorhandenen Sprachbarrieren möglichst gering zu halten.“ Deshalb fänden sich im Spielplan überwiegend Veranstaltungen aus den Sparten Tanz, Circus, Musik, Marionettentheater, Pantomime oder manchmal auch ein Mix daraus. Sprechtheater oder Kabarett seien schwieriger, aber auch hierbei gebe es eine wachsende Publikumsnachfrage nach komplett französischen oder deutschen Aufführungen.
Die Veranstaltungspalette der Art`Rhena-Kulturinsel bietet zusätzlich unterschiedliche Arten von Workshops (Grenzüberschreitender Kino-Club, Open-Air-Kino, aber auch einen Trampolin-Schnupperkurs….). Oder in Absprache mit Schulträgern grenzüberschreitende Schulprojekte in Verbindung mit künstlerischer Praxis, Treffen mit Künstler­Innen oder auch Einblicke „hinter die Kulissen“.

Eintauchen in virtuelle Realitäten © Romain Etienne

Als ein gutes Beispiel für die Frische, Innovationskraft und Qualität der Art`Rhena-Events kann das Gastspiel der Compagnie Adrien M & Claire B aus Lyon mit ihrer Dance – und Virtual Reality – Performance „Acqua Alta“ dienen. Das Lyoner Tanzpaar experimentiert an der Schnittstelle zwischen traditionell darstellender Kunst (Tanz) und digital erzeugtem Bühnenkosmos durch speziell entwickelte Computer- und Projektionswerkzeuge. Erzählt wird in dem Stück eine Katastrophengeschichte zwischen Mann und Frau unter Einwirkung von Naturkräften wie Wind, Meer, Regen oder bedrohlichen Meerestieren oder -pflanzen auf drei unterschiedliche Weisen. In der ausladenden Eingangshalle von Art`Rhena erlebt man als erste Station „Die Durchquerung des Spiegels“. Man erhält den Spiegel in Form eines Tablets und tritt nacheinander an elf vorbereitete Stationen an Tische, auf denen je ein Haus als gefalteter dreidimensionaler Papierkörper auf einem weißen Untergrund mit jeweils unterschiedlich gemalter eindimensionaler Tuschezeichnung das landschaftliche Ambiente definieren. Richtet man die Kamera des Tablets auf die Station, erscheinen die monochrom schwarzen scherenschnittartigen Körper eines Tanzpaares auf dem Bildschirm. Musik ertönt durch die Kopfhörer und das Tanzpaar bewegt sich aufgrund der Erfassung seiner Choreografie durch ein Motion-Capture-Gerät durch die von einer eigens entwickelten Augmented-Reality-Appermöglichten animierten Traumwelt. Jede Bewegung des Tablets verändert den Blickwinkel und damit auch das Geschehen.
An der zweiten Station „Kopf an Kopf“ setzt man sich auf einen drehbaren Hocker und erhält eine Virtual-Reality Brille. Im Unterschied zu vorher wird man nun selbst Teil des Geschehens, denn man sitzt jetzt mitten in der Handlung.In der computergenerierten virtuellen Realität umtanzen das widerstreitende Paar und die furchteinflößende Meeresfauna und -flora den Betrachter auf Tuchfühlung im vermeintlich dreidimensionalen Raum. Da man sich auf dem Hocker um 360 Grad drehen kann, werden dadurch Blickwinkel und Intensität des Erlebens durch einen selbst entscheidend beeinflusst.
Nach diesem sinnfälligen Kennenlernen der digitalen Hilfstools folgt im Theaterraum eine fast einstündige Performance, die in dieser Art und Form wohl noch kaum eine BesucherIn jemals zuvor gesehen hatte. Die Bühnenfläche ist komplett leer und an allen vier Seiten durch sehr hohe Flächen aus klein perforiertem Gaze-Material eingegrenzt und so in einen riesigen Quader verwandelt. Diese Seitenflächen und der leere Bühnenboden dienen später als Projektionsleinwände, auf denen Räumlichkeit erzeugt wird. In diesen bedrückenden Käfig treten nun Adrien M und Claire B als reales Tanzpaar und beginnen, ihre offensichtlichen Beziehungsschwierigkeiten „auszutanzen“. Erschwert wird dies durch immer mehr sich steigernde Belästigungen durch aufkommendes Wasser in Form von Regengüssen, Flutwellen, Schneestürmen, Eisbildung, aber auch durch das Herumfliegen von Artefakten, die an Trümmerbildung bei Erdbeben oder Bombardements erinnern. Diese bedrohlichen Gefahren erscheinen übermächtig in atemberaubenden Animationen an den Projektionsflächen. Die beiden Tanzenden müssen in immer neuen tänzerischen Varianten ihr nacktes Überleben sichern. Expressive Musik verstärkt das Inferno. Der Clou dabei: Das Geschehen auf den Projektionsflächen reagiert exakt auf die Handlungen der beiden Tanzenden, aber genauso auch umgekehrt. All dies geschieht in einem Höllentempo und dennoch mit der Präzision eines Uhrwerks. Dem Publikum stockt förmlich der Atem ob dieses völlig ungewohnten theatralischen Überfalls.
Mit ihrer grandiosen Inszenierung und dem Betreten von neuen bühnenästhetischen Pfaden hatte das Künstlerduo den Anwesenden permanente emotionale Wechselbäder geschenkt und wurde hochverdient mit ovationalem Beifall belohnt.
Eine gute Gelegenheit, die Art`Rhena-Kulturinsel kennenzulernen, bietet sich am Wochenende des 21. und 22. Mai 2022. Bei einem großen Festival der Straßenkunst wird zu einer „poetischen Reise ins Herz der darstellenden Künste“ eingeladen. Innen und außen wird an beiden Tagen ab 11 Uhr bis in die Abendstunden ein Nonstop-Feuerwerk aus Zirkus, Marionettentheater, Trampolinakrobatik, Clownerie und Magie, Musik und Licht- und Feuerinstallationen zu genießen sein. Und dies alles zum Nulltarif.

Weitere Informationen: www.artrhena.eu

Bildquellen

  • Eintauchen in virtuelle Realitäten: © Romain Etienne
  • Die Virtual Reality – Performance „Aqua Alta“┬: © Romain Etienne