Nur ein Feuerwerk pro Stadt! Könnte Heitersheim Modell sein?

Zum Jahreswechsel vor wenigen Wochen kam die Entladung: Nach der Corona-Diät, mancherorts auch kommunalen Einschränkungen, wurde am Silvestertag wieder und mehr denn je geknallt und gezündelt, was das Zeug hielt. Freude am bunt-lauten Lichtspektakel geriet in schwer lösbaren Feinstaub-Konflikt mit aller Umweltfürsorge. Den Gipfel der Lust erklommen am Ende Gewalttäter gegen Ordnungskräfte. Was soll das um Himmels willen? Wo könnte ein Fingerzeig auf geistreiche Lösungen liegen? Des Nachdenkens bedarf es besonders nach dem bundesweiten Böller-Verbot 2021.
Die Community der selbsterklärten Pyrotechniker ist nicht klein, die Anhängerschar kaum zu unterschätzen. Im Lauf der Zeiten scheint sich indes eine soziale Umkehr der Nutzerschichten vollzogen zu haben: Ähnlich wie bei der Kirmes / Kirchweih, einst in vorreformatorischer Zeit ausschweifende Popen-Zeremonie, gerann auch beim Feuerwerk aus ehedem barockem Herrschaftsspektakel ein proletarisches Ventil. Wer es sich irgendwie noch leisten kann, kauft Böller und Knallkörper, zeigt so, was er hat, ein gutes Stück männliches Potenzgehabe steckt mit drin. Und dann entsteht diese merkwürdig-ambivalente Melange aus dem Dokumentationsdrang gesellschaftlicher Teilhabe auf der einen sowie Unterschichten- und Randgruppenprotest auf der anderen Seite. Je weiter die soziale Schere auseinanderdriftet, umso deutlicher die Exzesse. Damit hängt das Umweltproblem zusammen: Für kleines Geld kann beim Discounter schnell eine Tasche voll Explosivem erworben werden; Müll und Emissionen fallen aber ungleich mehr an als bei professionellem Gerät im Fachhandel (das dort jedoch deutlich teurer ist).
Das Experimentelle und Neue ereignet sich oft in kleineren Orten; der Modus der Übertragbarkeit auf die Großstädte bleibt hernach zu überprüfen. Jedenfalls machte sich 2021 in der Malteserstadt Heitersheim eine private Initiative ans Werk, um die Raketen zu kanalisieren. Das funktionierte jetzt schon zum zweiten Mal. Per Crowdfunding wurden Spender gesucht und gefunden. Dabei generierte Überschüsse waren sozialem Zweck versprochen. Südwestfunk und gar Bild TV berichteten. Über die Auflage 2022 zeigt sich Organisator Sascha d’Angelo jetzt enttäuscht. Das Rathaus blieb „stiller Beobachter“, vor allem jedoch scheint ihm die „Grundidee gescheitert“: „Die Bewohner haben sich’s angeschaut – und dann doch wie wild geböllert.“ Sechs Minuten von den Rebhängen hinab gefeuert, von Profis in Szene gesetzt, für weniger als 10.000,- Euro: eigentlich nicht zu teuer – und vielleicht ausreichend für die Kleinstadt.
Im ostwestfälischen Verl gab es dieselbe Idee zum Bürgerfeuerwerk, schon 2020. Ein Bürger der Stadt, Bernd Tischler, trug den Gedanken schriftlich gegenüber der Stadtspitze und den Fraktionen vor. Er dachte sich, das könne in Federführung der Kommune stattfinden. Die setzte das nicht um, „hat es aber bislang auch nicht abgelehnt“. „Wir haben einen Pferdehof, und die Tiere sind an Silvester nicht glücklich“, so Tischler.
Tübingen untersagte 2022 erneut Gezündel und Alkoholgenuss in der denkmalgeschützten Altstadt. Doch drumherum sprühten die Funken allenthalben – am besten zu bestaunen oben vom Österberg. Also ist auch das nur eine halbe Lösung. Sie schützt halt historische Architektur vor Brandgefahr, mehr nicht.
Oliver Tibus, Chef der Firma Impulswerk in Merzhausen-Au positioniert sich deutlich: „Wir sind für einen verantwortungsvollen Umgang mit hochwertigem Silvesterfeuerwerk und gegen die Verbotskultur!“ Er sieht seine Branche in Gefahr, bedroht von Umweltschützern auf der anderen Seite und dem gemeinen Knaller-Volk gleichermaßen. Tribus hat die Inszenierung für Heitersheim geliefert.
Anders ist die Stimmung offenbar in den Niederlanden: Bei einer Umfrage 2015 waren 60 Prozent der Bürger für ein generelles Verbot, weshalb noch im selben Jahr 56 Kommunen ein (eingeschränktes) Verbot verordneten. Amsterdam verbot private Knallerei 2020 komplett. Die Stadt organisiert an mehreren zentralen Orten Feuerwerkshows für Einwohner und Touristen, privates Zündeln ist untersagt. So blieb es auch 2022.
Vorerst lässt sich schwerlich eine einfache Antwort und die zukunftsweisende Lösung finden. Aber darüber nachzudenken, lohnt ohne Zweifel.

Bildquellen

  • Nur ein Feuerwerk pro Stadt?: Foto: Akil Mazumder