Das Kunsthaus Bregenz feiert mit einer Ausstellung von Jordan Wolfson sein 25-jähriges Bestehen

Jordan Wolfson: „Female Figure“, 2014, Installationsan.
Foto: Markus Tretter. Courtesy Jordan Wolfson Studio, David Zwirner und Sadie Coles HQ, London © Jordan Wolfson, Kunsthaus Bregenz

Jordan Wolfson wurde schon mit vielen Etiketten bedacht. Bizarr, Borderline verrückt. Er selbst sagt, seine Aufgabe sei nicht die Welt zu heilen. Schließlich ist er Künstler. Wenn das Kunsthaus Bregenz nun sein 25-jähriges Bestehen unter anderem mit einer Einzelschau des 1980 geborenen Amerikaners begeht, ist dies durchaus ein Statement. Manchen gilt er als Enfant terrible, anderen als Vorreiter. Seit er von New York nach Los Angeles gezogen ist und verstärkt mit Animatronikern zusammenarbeitet, sind Roboter-Skulpturen entstanden, die menschliche Bewegungen perfekt nachahmen. „Female Figure“ war bereits 2014 bei der Art Basel in „14 Rooms“ zu sehen gewesen, im Kunsthaus Bregenz wird man in einer zehnköpfigen Gruppe in die dritte Etage zu der Figur gelassen.
„Female Figure“ ist eine Roboter gewordene Sexphantasie: platinblonde Haare bis zum Hintern, der vom weißen Negligé kaum bedeckt ist, straffe Brüste, Overkneestiefel und lange weiße Handschuhe. Die Skulptur ist mit einem Stab mit der weitgehend verspiegelten Wand verbunden und kehrt dem Betrachter den Rücken zu. Sobald die Gesichtserkennung einen wahrnimmt, beginnt sie derart geschmeidig und lasziv zu tanzen als sei ihr ganzes Leben ein Tabledance. Und sie reagiert auf Blickkontakt, in dem sie ihn hält. Schwarze feindselige Augen schauen einen aus einer dunkelgrünen Hexenmaske an. „My mother is dead. My father is dead. I’m gay. I’d like to be a poet. This is my house“: Wolfson leiht „Female Figure“ für diese Sätze seine eigene Stimme. Doch, was davon überhaupt wahr ist, darf man sich aussuchen. Im Foyer des Kunsthaus Bregenz jedenfalls steht ein Text Wolfsons, in dem er auch auf „Female Figure“ Bezug nimmt. „Ich habe über die Idee nachgedacht, mich als Autor einer Fiktion zu sehen, in der das, von dem die Skulptur sagt, dass es wahr ist, nicht wahr ist – nicht ich bin. Aber natürlich ist es wahr und bin ich es.“ Mit solchen Taschenspielertricks muss man rechnen bei der Kunst von Jordon Wolfson.
In einem Interview hat er einmal gesagt, dass er Trickster schon immer mochte. Und obwohl er sich dagegen verwehrt, ist Wolfson eben selbst ein Trickster. In „Raspberry Poser“ hat das Unheimliche ein niedlich-infantiles Gesicht. Die Comicfigur leitet durch die Videoarbeit, die reale Straßenszenen mit Animationen verbindet und in der der Künstler selbst einen Auftritt als Skin in Paris hat. Man muss auf das Entstehungsjahr 2012 schauen, ansonsten hält man die Virusmodelle, die in Einrichtungshäusern umherspringen und über die Straßen New Yorks hüpfen für eine Visualisierung von Corona. Doch es ist das HI-Virus, das aus einem mit roten Blutkörperchen gefüllten Kondom in die Welt gelassen wird. Der Raspberry Poser verliert zu Songs von Lady Gaga und Paul Simon zunehmend die Contenance und hat sich gleich zu Beginn des Videos vor einem La Perla-Laden den Bauch aufgeschlitzt. Distanz kennt die Kunst Jordan Wolfsons nicht.
Seine Ausstellung im Kunsthaus Bregenz wirkt wie eine frühe Retrospektive, doch „Artists Friends Racists“ und einige Wandobjekte sind in den letzten beiden Jahren unter dem Eindruck der Krise entstanden. Während die Wandarbeiten analoge dreidimensionale Collagen sind, die unter einem angedeuteten Pappdach das Foto einer Geisha mit Werbung für Pizza verbinden, entstehen in „Artists Friends Racists“ über Ventilatoren Hologramme, die einander schnell ablösen: Zahlen, Fotos aus dem Netz, Werkzeuge und Davidsterne, die mit Händen von Comicfiguren ausgestattet sind. Die Populär-Kultur ist Spiegel von Ängsten und auch ein bisschen Grund, sich zu fürchten.

Jordan Wolfson. Kunsthaus Bregenz, Karl Tizian Platz, Bregenz. Mo bis So 10 bis 18 Uhr, Do 10 bis 20 Uhr. Bis 9. Oktober. www.kunsthaus-bregenz.at

Bildquellen

  • Jordan Wolfson: „Female Figure“, 2014, Installationsan. Foto: Markus Tretter. Courtesy Jordan Wolfson Studio, David Zwirner und Sadie Coles HQ, London: © Jordan Wolfson, Kunsthaus Bregenz
  • Jordan Wolfson: „Artists Friends Racists“, 2020, Installationsansicht, Foto: Markus Tretter. Courtesy Jordan Wolfson Studio und The George Economou Collection: © Jordan Wolfson, Kunsthaus Bregenz