Eine Heiligengeschichte in Nachfolge von Gandhi und Mandela

Das Theater Freiburg zeigt die Uraufführung von Mpumelelo Paul Grootbooms „Crudeland“

Vielleicht ist in diesen Seilen, die sich wasserfallartig über die Bühne des Großen Hauses ergießen, selbst das Ende schon angedeutet. Man kann sich in diesen Strängen nicht nur gut verheddern, sie eignen sich nebenbei auch als treffliche Videoprojektionsfläche. Man kann sie aber auch zur Schlinge drehen. Verrät man damit zu viel?

Lukhanyo Bele, Komi Mizrajim Togbonou und Statisterie. © Birgit Hupfeld
Lukhanyo Bele, Komi Mizrajim Togbonou und Statisterie. © Birgit Hupfel

Wohl kaum, der südafrikanische Autor Mpumelelo Paul Grootboom von „Crudeland“ (Übersetzung: Rolf C. Hemke), der am Theater Freiburg die Uraufführung gleich selbst besorgte, macht aus der Vorlage seines Stoffes ja auch kein Geheimnis.

Hinter Shado Katanga (Lukhanyo Bele) verbirgt sich der nigerianische Autor und Umweltschutzaktivist Ken Saro-Wiwa, der sich in den 1990er Jahren gewaltfrei gegen das Unternehmen Shell stellte, das auf besonders schmutzige Weise am Nigerdelta Öl förderte. Das Vergiften von Wasser und Boden brachte das Volk der Ogoni um die Lebensgrundlage, an den Gewinnen waren sie nicht beteiligt.

Am 10. November 1995 wurde Ken Saro-Wiwa nach einem Schauprozess und trotz internationaler Proteste hingerichtet. „Crudeland“ ist, obgleich Grootboom die Geschehnisse in die fiktive Diktatur Bamandu verlegt, eine Heiligengeschichte in Nachfolge von Mahatma Gandhi und Nelson Mandela.

Doch zu Beginn von Mpumelelo Paul Grootbooms Inszenierung, die gut hundert Minuten dauern wird, ist für einen Moment vermeintlich noch alles in Ordnung. Für die anderen, die Bösen. Euro Oil feiert sich auf einer Art überdrehten Betriebsversammlung selbst: die Umsätze haben sich verdreifacht. Und als ob die Umweltschäden, das Gasabfackeln und all die Lecks nicht schon Sünde genug wären, muss nur noch das Stichwort der Mohrenköpfe am Büffet fallen und eine Gruppe schwer bewaffneter und maskierter Terroristen greift sich die weißen Mitarbeiter und entführt sie.

Während diese irgendwo zwischen den Seilen verschwinden, schwebt General Baraka (Gotta Depri) danach wie ein Deus ex Machina vom Schnürboden in purpurner Paradeuniform auf dem Thron auf die Bühne. Schwarze Koffer wandern zwischen Jan Vischer (Henry Meyer) und Baraka. Später wird Vischer gegenüber Barakas Übersetzer und Ausleger Naude (Victor Calero) andeuten, dass dieser über die genaue Summe nicht informiert sei. Wenn schwarz und weiß etwas gemeinsam ist, dann ihre Käuflichkeit.

Grootbooms „Crudeland“ ist ein ästhetischer Zwitter. Jede Demo ist eine Choreografie, die durch dokumentarische Aufnahmen verstärkt und verdoppelt wird. Folgt man Grootbooms Aussagen im Programmheft dürften die theatralischen Mittel von Tanz und Gesang für afrikanische Sehgewohnheiten noch inkonsequent eingesetzt sein.

In Europa jedoch schnappt die Falle des Exotischen zu. Aus diesem Dilemma findet die Inszenierung keinen Ausweg. Der Stoff um Macht, Gier und Intrigen mag Shakespearesche Ausmaße haben, doch die Figuren bleiben typenhaft. Da ist die Schwester einer der Geiseln, die sich erst für deren Freilassung, dann für die gute Sache einsetzt und ein weißer Überläufer, der zur guten Sache Katangas bekehrt ist.

Allein Janko Banda (Komi Mizrajim Togbonou) steht für die Widersprüche der Situation. Und so ist dieser Abend, der doch immerhin das Schauspiel zurück ins Große Haus holt, überraschend konventionell geraten.

Annette Hoffmann

Weitere Vorstellungen: 1./3./ 10./19. und 22. November im Großen Haus des Theater Freiburg.
www.theater.freiburg.de