„(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980“ in der Städtischen Galerie Karlsruhe

Leere Vogelnester liegen in den Vitrinen, in der Mitte des großen Saals breitet sich Elektroschrott aus. Was ist los in der Städtischen Galerie Karlsruhe? Nichts Schlimmes, es handelt sich nur um Objekte der neuen Sonderausstellung „(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980“, die bis zum 13. September läuft. Tatsächlich ist eines der ausgestellten Vogelnester das älteste Stück dieser Schau. Es wurde Mitte der 1970er Jahre vom Künstler Lois Weinberger gefunden und besteht aus Erde, Stroh und – Plastik. Weinberger drehte das halbrunde Nest um. Unter dem Titel „Welt“ verweist es mit dem immer noch knallbunt aus den Naturmaterialien herausschauenden Plastikstück seit mehr als 4 Jahrzehnten auf eines der Grundprobleme des Planeten.
„Wir brauchen den Blick der Künstler, die verstörende Art wie sie Materialien zusammensetzen um zu verstehen, was wir tagtäglich tun“, sagt die Karlsruher Kulturamtsleiterin Susanne Asche. Dinge wegwerfen zum Beispiel. Aus weggeworfenen Computerteilen, Handys, ipods, Kabeln und Drähten schuf Kristof Kintera eine sich ausbreitende Landschaft. Analog zur echten Natur wachsen Kabel empor, treiben Äste und Blüten, die Elektronik summt und brummt. „Postnaturalia“ nennt Kintera seine Arbeit.
Das Thema Müll als sozusagen ständig nachwachsende Ressource zieht sich durch die Ausstellung. Da finden sich mit Graffiti besprühte und beklebte Mülleimer, die aussehen, als hätte man sie an irgendeiner Haltestelle eingesammelt. Tatsächlich handelt es sich bei ihnen um installative Arbeiten von Klara Lidén. Auch der Bildhauer Tony Cragg hatte eine Idee, was man aus alten, kaputten Plastikgegenständen noch machen kann: er färbte alles, vom Kamm bis zum Eimer, in Signalorange. Wie ein kunterbuntes Spielzeughaus, nur ohne Dach, sieht das „Wursthaus“ von Michael Beutler aus. Er bastelte es aus Altpapier, das er zusammengeknüllt in Plastiknetze schob, ein bisschen so wie der Metzger die Wurstmasse in die Wursthaut schiebt.
Agnes Märkel geht in ihrer fünfteiligen Collagenreihe ironisch an das Thema heran. Auf den Bildern „Letzte Ressourcen“ kämpfen winzige Spielzeugsoldaten um einen gigantischen Schuttberg oder einen Baumstumpf. Von einem mühsamen, vor vielen Jahrzehnten aufgegebenen Kampf um die Ressource Kohle erzählen die Fotos von Bernd und Hilla Becher. Die abgelichteten Überreste der „Pennsylvania Coal Mine Tipples“ wurden während der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre aus Brettern gezimmert. Um Kohle geht es auch in der gleichnamigen Installation von Alicja Kwade. Sie hat Kohlebriketts durch einen goldglänzenden Überzug in Goldbarren verwandelt – zumindest dem äußeren Anschein nach.
Nicht alle Werke der insgesamt 25 ausgestellten Künstlerinnen und Künstler sind so direkt und anschaulich. Faszinierende schillernde Farben und abstrakte Formen zeichnen die Fotografien der Serie „UREA“ aus. Tue Greenfort hat künstliche Harnsäure (lat. Urea) auskristallisieren lassen und stark vergrößert fotografiert. Was ästhetisch so reizvoll wirkt, ist die Frage des Künstlers nach dem Zusammenhang von zu viel Dünger, denn dafür wird künstlicher Harnstoff verwendet, und der Verunreinigung des Grundwassers.
Aus einer Fülle kleiner, weiß und gelb gefärbter Plastikteilchen hat Nandor Angstenberger für die Ausstellung ein zauberhaftes Wandpanorama geschaffen. In „Atlas Futur 2020“ wachsen aus Styroporwolken kleine Laboratorien, es scheint eine strahlend weiße, futuristische Welt zu sein. Erst wenn man aus der Nähe genau hinschaut, erkennt man, dass die Laboratorien genauso wie die zierlichen Hängebrücken oder die schlanken Türme und Minarette aus Plastikrührstäbchen oder elektrischen Zahnbürsten bestehen. Hier wird ausgesprochen fantasievoll Plastik nicht als Müll, sondern als Ressource für Kunst verwendet. „(Un)endliche Ressourcen“ ist damit eine ausgesprochen nachhaltige Ausstellung.

„(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980“, Städtische Galerie Karlsruhe, Lorenzstr. 27. Mi-Fr 10-18 Uhr. Freitags ab 14 Uhr Eintritt frei. Bis 13.09.2020.

Bildquellen

  • Tony Cragg, Axe Head, 1981, Sammlung Klüser, München: (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2020, Foto Sammlung Klüser München