Umfrage in den Beratungsstellen von Diakonie und Caritas: Zunehmend stehen Menschen aus der Mittelschicht finanziell unter Druck

Immer mehr Menschen in Baden-Württemberg haben Geld- und Existenzsorgen. Das ergibt eine aktuelle Umfrage von Diakonie und Caritas unter ihren Schuldnerberatungsstellen und in der Allgemeinen Sozialberatung. Demnach kommen zunehmend auch Menschen in die Beratung, die bislang finanziell gut über die Runden gekommen sind. Die steigenden Kosten für Energie und Lebensmittel bringen diese Haushalte finanziell unter Druck. Diese Umfrage-Ergebnisse stehen beispielhaft für eine generelle Entwicklung im Südwesten. Caritas und Diakonie stellen das Aufkommen einer „neuen Armut“ fest. Diese wird sich noch verstärken, befürchten die Vorständ.innen der vier Kirchlichen Wohlfahrtsverbände im Südwesten. Bei einem Pressegespräch wiesen sie am 4. Mai darauf hin, dass die Nebenkostenabrechnungen mit den Aufforderungen zur Nachzahlung ja noch ausstehen und die Inflation die allgemeinen Kosten weiter steigen lasse.  „Die wirtschaftliche Not vieler Menschen und damit der Bedarf nach Unterstützung und Beratung wächst kontinuierlich. Wer bisher bereits arm war, ist von der aktuellen Krise am stärksten betroffen. Zunehmend rutschen aber auch Menschen aus der Mittelschicht in Armut“, erklärt Diözesan-Caritasdirektorin Dr. Annette Holuscha-Uhlenbrock, Vorständin des Caritasverbandes der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Diese Menschen hätten oft eine Arbeit, aber ihr Einkommen reiche nicht mehr aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Mit den Energiefonds mit einem Gesamtvolumen von fast 17 Millionen Euro leisten auch die vier großen Kirchen im Südwesten einen Beitrag, damit Haushalte mit niedrigem oder mittlerem Einkommen Energiebeihilfen erhalten. Die Mittel des Fonds speisen sich aus den Kirchensteuern, die durch die Auszahlung der Energiepreispauschale im September 2022 an die Bevölkerung angefallen ist. Inzwischen können die Gelder über die Beratungsstellen von Diakonie und Caritas beantragt werden. Die Überbrückungshilfen betragen in der Regel zwischen 500 und bis zu 1.500 Euro, in wenigen Einzelfällen auch darüber.

Menschen, die bereits in der Armutsspirale sind oder hineinzugeraten drohen, wirksam Hilfe und Unterstützung zu leisten, sei besonders wichtig, sagte Caritasdirektorin Birgit Schaer, Vorständin des Caritasverbandes für die Erzdiözese Freiburg. „Neben finanzieller Entlastung brauchen diese Menschen niederschwellige Anlauf- und Beratungsstellen, die möglichst schnelle und unbürokratische Soforthilfe bieten können.“ Angebote wie die Schuldnerberatung oder die Allgemeine Sozialberatung seien hier wichtige Anlaufstellen. Diese notwendige Unterstützungsstruktur gelte es von der Politik aufmerksam im Blick zu behalten und zu stärken. Besonders wichtig sei ein gemeinsam aufgesetztes Sozialmonitoring von Wohlfahrt und Kommunen, damit man Bedarfe erkenne und Leistungen zeitnah und unbürokratisch daran angepasst werden können.

Oberkirchenrat Urs Keller, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Baden, forderte eine Umverteilungsdebatte. „Denn die Nachfrage nach Hilfen steigen massiv. Immer mehr Menschen kommen, immer neue Bedarfsgruppen klopfen an. Gleichzeitig stagniert die finanzielle Förderung der Hilfsangebote durch Bundes- und Landesregierung.“ Auch die Kassen der Kommunen seien klamm und im schlimmsten Fall werde sogar darüber nachgedacht, die Mittel zu kürzen oder gar ganz zu streichen. Daraus leitete Keller die Frage ab, wie wir „die soziale Daseinsfürsorge in diesem Land und überhaupt noch sicherstellen“ können. „Allein auch schon wegen des demografischen Faktors wird der Bedarf an Hilfeangeboten immer weiter steigen. Der gesellschaftliche Zusammenhalt müsse uns eine Umverteilungsdebatte wert sein.“

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  • Inflationsbedingte Geldsorgen öfter Grund für Beratung: Foto: Jakub Zerdzicki via pexels