Thierry Girard | Paul Pagk | Pierre Antonelli – drei große Ausstellungen in der Fondation Fernet Branca

Die Eröffnung dieser Dreier-Ausstellung in St. Louis war sehr gut besucht – dabei kaum deutsches Publikum, als sei dieses Ausstellungshaus jenseits der Grenze neu und unbekannt. Die ehemalige Destillerie wurde nach 2003 umgebaut und ist seit 2011 Sitz der Fondation. Die großen Räume machen es möglich, drei künstlerische Positionen wie Einzelausstellungen zu zeigen. Die drei Künstler waren anwesend.

Werk von Pierre Antonelli
Foto: Susanne Meier-Faust

Im ersten Raumbereich mit vier „white cubes“ sind die Fotografien von Thierry Girard (*1951) zu sehen. Als Autodidakt hat er seine (Fern-)Reisen mit der Fotografie verbunden. Seine Serie der Tokioter Metro-Stationen „The Yamanote Line“, 2012, und Motive aus anderen Weltstädten zeigen sich als sehr helle, weißgerahmte Farbbilder, die unter den grellen Lichtröhren der Räume wie ausgeblichen wirken. Diese bleiche Kälte spiegelt die „Unwirtlichkeit der Städte“ mit den Ansichten von Werbeplakaten, elektrischen Leitungen, Bürocontainern, Baugerüsten vor weißen Himmeln. Es folgen Farbfotos mit ebenfalls unwirtlichen, wie zufällig existent gebliebenen Naturmotiven – Natur als Randerscheinung. Zuletzt zeigt uns der Künstler fast nostalgisch-ironisch und intim-verlassen wirkende Aspekte aus dem kleinstädtischen Leben, z. B. in der Serie „Alle Wege führen zum Löwen“ auf dem Territorium Belforts.

Paul Pagk: „4-2-8-3“, 2009
Foto: Susanne Meier-Faust

Unmittelbar geht es in den nächsten Räumen weiter mit der Präsentation der Werke von Paul Pagk (*1962): über 50 Gemälde und 100 Papierarbeiten aus den letzten 15 Jahren. Der franko-amerikanische Künstler lebt seit 1988 in New York. Mit seinem Werk vertritt er eine abstrakte Malerei, in der Linien (größtenteils frei gezogen), geometrisch-räumliche, zeichenhafte Elemente und meist farbkräftige Monochromie bestimmend sind. Das Freihändig-Konstruktivistische in dieser Ölmalerei kann sowohl unsere Imagination über die Bildgrenzen weiterführen als auch ein zentrales Sujet bilden. Im Obergeschoss sind sowohl kleinere Formate der „Rythmes & Structures“ als auch Formstudien und Zeichnungen zu sehen, aus denen diese durchaus sinnliche Abstraktion erwächst.
Die dritte Raumsequenz gilt den Arbeiten von Pierre Antonelli (*1963), der in Straßburg lebt und arbeitet. Im großen Kopfraum im Obergeschoss hängen zahlreiche Papierarbeiten, teilweise farbig, die in minutiöser Feinarbeit gesetzte zarte Punktierungen oder minimalistische Linien oft blattfüllend zeigen. In einer pastellartig wirkenden Arbeit führt der Künstler akribisch mit wechselnden Farbstiften gezeichnete Wörter aus winzigen Buchstaben im Rechteck des Blattes herum und gelangt so zu einer geometrischen Binnenstruktur. Ebenso ungewöhnlich ist eine Hommage an André Gide (1869-1951) zu dessen 150. Geburtstag, die sich als Text-Zeichnungen in einer 6-teiligen Serie von Diptychen in einem Raum zeigt. Ergänzt werden diese Arbeiten dank der Christine Gide-Stiftung in einem Gide-Raum mit Dokumenten, Gide-Porträtzeichnungen und -Texten. Sie verbinden die künstlerischen Werke miteinander und schaffen für die aktuellen Hommage-Arbeiten von Antonelli den historischen und geistigen Kontext.

Fondation Fernet Branca, 2 rue du Ballon, 68300 Saint-Louis, Elsass. www.fondationfernet-branca.org Mi-So 13-18 Uhr. Bis 13. Februar 2022

Bildquellen

  • Werk von Pierre Antonelli Foto: Susanne Meier-Faust: Foto: Susanne Meier-Faust
  • Paul Pagk: „4-2-8-3“, 2009 Foto: Susanne Meier-Faust: Foto: Susanne Meier-Faust
  • Thierry Girard: Fotografie aus der Serie „Party Room“: Foto: Susanne Meier-Faust