Theater abseits der Zentren

Spielplan 2013/14
Spielplan 2013/14

Die Spielzeit 2013/14 am Theater Freiburg

Gerade wurde das Theater Freiburg zum wiederholten Mal – diesmal zusammen mit dem Theater Heidelberg – als „Bestes Theater abseits der Zentren“ ausgezeichnet, da zieht es das Theater noch ein bisschen weiter in die Peripherie hinaus. Die Bühnentechnik muss saniert werden und daher werden einige der Produktionen der Spielzeit 2013/14 auf dem Ganter-Areal zu sehen sein.

Der temporäre und partielle Auszug geht einher mit einer Erkundung der Stadtteile Oberau, Wiehre, Waldsee. Fast könnte man glauben, die Zwischennutzung sei Teil des theatralisch-sozialen Projekts der Leitung; sie bietet jedenfalls Raum für Experimente wie die Adaption des Fellini-Films „Schiff der Träume“ durch Uli Jäckle.

Doch tatsächlich wird die kommende Spielzeit ganz konventionell am 21. September im Großen Haus eröffnet. Gegeben wird Georg Büchners Revolutionsdrama „Dantons Tod“ (Regie: Robert Schuster), das nach den politischen Umstürzen und gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre für eine neue Lesart reif sein dürfte. Das Politische nimmt überhaupt eine wesentliche Rolle ein. Auch Kleists Drama „Prinz Friedrich von Homburg“ fragt nach der Bedeutung des Individuums im politischen System, nach der Funktion von Hierarchien und der Bedeutung von Macht.

Ansonsten wartet die Dramaturgie anhaltend mit Roman-adaptionen auf. Nicht nur mit Franz Kafkas Amerika-Roman, auch J. M. Coetzees Geschichte vom alternden Staatsdiener, der sich von den Barbaren bedroht fühlt, steht auf dem Programm. Der Text des südafrikanischen Nobelpreisträgers „Warten auf die Barbaren“ wird von Thomas Krupa inszeniert.

Gleich zwei Uraufführungen sind am 1. Februar 2014 im Großen Haus zu sehen. Paul Brodowsky hat den Selbstmord der Jugendrichterin Kirsten Heisig zum Anlass genommen, in Neukölln zu recherchieren. Sein Stück „Intensivtäter“ fragt nach unserem Umgang mit straffällig gewordenen Jugendlichen. Auch Dirk Laucke nimmt sich mit der Sozialstudie einer verschuldeten Alleinerziehenden „Seattle“ einen gesellschaftlichen Stoff vor.

Schulden werden ebenfalls im Mittelpunkt von Andreas Liebmanns Inszenierung stehen, der sich das ambitionierte Projekt vorgenommen hat, David Graebers Sachbuch „Schulden. Die ersten 500 Jahre“ für die Bühne zu adaptieren. Verlängert hat ihre Zusammenarbeit mit dem Theater Freiburg die freie Gruppe „Turbo Pascal“, die das Verhältnis von Leben und Arbeiten erkunden will.

Viel los ist im Tanz. Auch wenn sich ein Großteil der Produktionen und Gastspiele auf die Kammerbühne beschränken wird. Ab Herbst wird nicht nur im Theatergarten geerntet, über Trachten nachgedacht, auch eine Guerilla-Aktion mit dem japanischen Tanzkollektiv Contact Gonzo steht auf dem Programm sowie eine Parcour-Performance in der Stadt und im Theater Freiburg. Mit einem Tanzstück von Gavin Webber und Grayson Millwood sowie von Su-Mi Jang und Sung-Im Her, die in „Tunning“ die Idole ihrer Jugend – Frank Zappa und AC/DC – vom Sockel stoßen werden, aber auch mit einer Performance von Graham Smith und seinem Sohn Simao gibt es in dieser Saison viel Kontinuität. Man darf gespannt sein, wie dieses Konzept, das auch auf die Zusammenarbeit mit Schweizer und französischen Künstlern setzt, sich bewähren wird.

Im Musiktheater geht man in dieser Saison noch einmal dem Wirken Richard Wagners mit der Inszenierung des „Tannhäusers“ durch Eva-Maria Höckmayr nach, flankiert wird sie durch eine Auseinandersetzung mit den Opern von Giuseppe Verdi. Gleich zwei von ihnen werden diese Spielzeit in Freiburg aufgeführt, zum einen „Die sizilianische Vesper“, bei der Michael Sturm Regie führt, zum anderen wird dessen Inszenierung von „Nabucco“ wieder aufgenommen. Und noch eine Inszenierung von Michael Sturm zeigt das Theater Freiburg: die 2008 von ihm uraufgeführte Oper Ludger Vollmers nach Fatih Akins Film „Gegen die Wand“. Vollmer setzte für die Darstellung dieser Amour fou, die auch die unterschiedlichen moralischen Vorstellungen von Migranten und Deutschen behandelt, nicht allein klassische Orchesterinstrumente ein, sondern auch türkische.

Mit der Liebe, vor allem mit ihren Abgründen befasst sich der Doppelabend „Der Mantel & Herzog Blaubarts Burg“, der aus Einakter von Giacomo Puccini und Béla Bartók aus dem Jahr 1918 besteht. Ihre leichten Seiten werden hingegen in Emmerich Kálmáns Operette „Die Csárdás-Fürstin“ zu begutachten sein. Bereits in der letzten Spielzeit hatte „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ Premiere, die Gemeinschaftsarbeit von Bertolt Brecht und Kurt Weill hatte der Schweizer Regisseur Tom Ryser inszeniert. Bei „Oscar und die Dame in Rosa“ wird Freiburgs Generalmusikdirektor Fabrice Bollon einmal die Seite wechseln. Bollon hat auf der Grundlage von Eric-Emmanuel Schmitts rührender Erzählung vom totkranken Kind Oscar eine Oper für die ganze Familie verfasst. Die letzte Premiere der Spielzeit 2013/14 wird das Auftragswerk „Das geopferte Leben“ von Hèctor Parra sein. Für die Kammeroper ist das Theater Freiburg eine Koproduktion mit der Münchener Biennale für neues Musiktheater, dem ensemble recherche und dem Freiburger Barockorchester eingegangen. Das Libretto stammt von der französischen Autorin Marie NDiaye. 

Annette Hoffmann

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