Star ja, Galeriemaskottchen nein: Die Fondation Beyeler zeigt „The Modena Paintings“ von Jean-Michel Basquiat

Auch für andere 21-Jährige wäre Modena vielleicht nicht die erste Wahl. Und sieht man in der Fondation Beyeler den jungen Jean-Michel Basquiat in einem Film durch New York streifen, lässig in einen Mantel gehüllt und ein Bild unter dem Arm, mit dem er die ausstehende Miete begleichen will, fällt es schwer, sich den Maler einen Sommer in Norditalien vorzustellen. Gut, Basquiat besuchte auch seinen Galeristen Bruno Bischofberger in der Schweiz. In Modena war er gleich zwei Mal. Jeweils auf Einladung des italienischen Galeristen Emilio Mazzoli, zuerst 1981 und dann im folgenden Jahr, obwohl die erste Ausstellung kein finanzieller Erfolg war. Der 1960 geborene Künstler, der 1988 an einer Überdosis starb, war Anfang der 1980er Jahre auf dem Weg, erfolgreich zu werden und sich von seinem Streetart-Image zu lösen. Mit 21 Jahren war er an der documenta 7 beteiligt, es gab Kontakte zu Galerien. Basquiat hatte ein gutes Gespür dafür, was ihm bei seiner Karriere dienlich sein könnten. Zugleich aber ist das Werk von Jean-Michel Basquiat ein Glücksfall für den Kunstmarkt gewesen. Die Geschichte des steilen Aufstiegs des Afroamerikaners, der Drogentod, Bilder, die vor Selbstbewusstsein strotzen. Die Arbeiten sprechen einerseits unmittelbar zu einem, andererseits haben sie ein sehr eigenes Formsystem. Bereits zu Lebzeiten des Malers erfüllte Basquiat Künstlerlegenden. Privates und Werk waren bei ihm immer schon schwer voneinander zu trennen.
Die Modena-Bilder, die die Fondation Beyeler nun zeigt, wären ohne diese Dynamik nicht entstanden. 1982 hat er in Modena eine ganze Werkhalle mitsamt großer Leinwände von vier, fünf Meter Breite zur Verfügung, Basquiat wird in einen Arbeitsfuror geraten. Und doch: „It was like a factory, a sick factory. I hated it. I wanted to be a star, not a gallery mascot“, kann man in der Fondation Beyeler nachlesen. Dass das Angebot, in dieser fabrikartigen Halle zu arbeiten ein bisschen vergiftet und keineswegs uneigennützig war, spürte er. Star ja, aber das Maskottchen einer Galerie wollte er nicht sein. Die Ausstellung kam 1982 nicht zustande. Die Fondation Beyeler hat nun über vierzig Jahre später die mittlerweile hoch gehandelten acht Großformate für eine Ausstellung zusammengetragen. Sie passen in einen Saal, „Untitled (Woman with Roman Torso (Venus))“ empfängt die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung bereits im Foyer. In einem kleineren Raum schließt sich die Dokumentation von Basquiats Lebens an. Dass die Schau kurz vor der Art Basel eröffnet wurde und dort wiederum auch Arbeiten des US-Amerikaners zu Verkauf standen, dürfte kein Zufall sein. An „The Modena Paintings“ haftet der Kunstmarkt, selbst wenn die Bilder jetzt den Weg nach Riehen aus Privatsammlungen gefunden haben.
Auch wenn Basquiat diese Bilder in kürzester Zeit geschaffen hat, gibt es keine thematische Klammer oder ein Motiv, das sie verbinden würde. „Boy and Dog in a Johnnypump“ war bereits bei der großen Basquiat-Retrospektive 2010 in der Fondation zu sehen. Es zeigt eine männliche Figur mit weit geöffneten Armen sowie ihren Hund. Der Hintergrund ist so feuerrot wie der Wasserhydrant in New York, besagte Johnnypump. In besonders heißen Sommern haben New Yorker Polizisten sie geöffnet, um die spielenden Kinder zu erfrischen. Ganz anders ist der Hintergrund von „The Field next to the other Road“, der in hellen Tönen gehalten ist. Wie so oft verbindet Basquiat hier Zeichnung und Malerei. Ein männliches Skelett, das rot ausgemalt ist, hält in einer sehr skurrilen Manier eine Kuh am Band. Innerhalb seines so urbanen Oeuvres fällt dieses Motiv auf. Viele der acht Arbeiten sind mit Rastern, Zahlen und Schrift überzogen. Eines scheint sicher: so werden sie nicht mehr zusammenkommen.

Jean-Michel Basquiat, The Modena Paintings. Fondation Beyeler, Baselstr. 101, Riehen/Basel. Mo – So 10-18 Uhr, Mi 10-20 Uhr. Bis 27. August 2023. www.fondationbeyeler.ch

Bildquellen

  • Jean-Michel Basquiat: „Untitled (Woman with Roman Torso [Venus])“, 1982; Acryl und Ölstift auf Leinwand, 241 x 419,7 cm; Privatsammlung © Estate of Jean-Michel Basquiat. Licensed by Artestar, New York: Foto: Robert Bayer