Richard Strauss‘ selten gespielte Oper „Die schweigsame Frau“ am Badischen Staatstheater Karlsruhe

Die Streicher hüpfen, die Holzbläser spinnen Girlanden. Mit „Potpourri“ hat Richard Strauss die knappe Ouvertüre zu seiner Oper „Die schweigsame Frau“ überschrieben. Und wenn sie so wendig und inspiriert musiziert wird wie von der Badischen Staatskapelle unter GMD Georg Fritzsch in Karlsruhe (besuchte Vorstellung: 16.12.), dann entfaltet das selten gespielte Werk von Beginn an seinen musikalischen Reiz – und auch seinen großen Humor. Dabei wurde die 1935 in Dresden uraufgeführte Oper von den Nationalsozialisten wegen des jüdischen Librettisten Stefan Zweig schon bald vom Spielplan genommen und hatte es auch in der Nachkriegszeit schwer. Das liegt aber auch an den immensen musikalischen Herausforderungen für das Orchester. Die extrem hoch liegende Partie der Aminta – dieser angeblich schweigsamen Frau, die sich am Ende als echte Dampfplauderin entpuppt – erfordert eine Koloratursopranistin der Extraklasse. Mit Danae Kontora verfügt das Badische Staatstheater Karlsruhe hier über eine Idealbesetzung, weil sich die Griechin nicht nur stimmlich bis in eisige Höhen filigran, präsent und intonationssicher bewegt, sondern auch darstellerisch eine Wucht ist. Ob verdruckste Unschuld vom Land zu Beginn oder temperamentvolle Powerfrau mit Sommerkleid und Stringerstiefeln am Ende – Danae Kontora beherrscht musikalisch und darstellerisch eine große Bandbreite. Und entwickelt eine Komik, die dem brillanten Opernabend Leichtigkeit verleiht.
Auch Mariame Cléments Inszenierung hat Tempo und Witz. Für Sir Morosus (mit kräftigem Bass: Friedemann Röhlig), einen pensionierten Kapitän mit Hörschaden, hat Julia Hansen einen holzgetäfelten Salon samt Ölschinken an der Wand und gemusterten Polstern entworfen. Seine grandiose Seefahrerwelt besteht nur noch in der Erinnerung – die Realität ist Vereinsamung, Pflegebett und eine ganze Batterie von Medikamenten auf dem Nachtisch. Er wird versorgt von seiner ihn betüddelnden Haushälterin (Christina Niessen) und seinem schlauen Barbier (etwas starker Akzent, musikalisch aber gut: Tomohiro Takada). Als sein Neffe Henry (mit reichlich Tenorglanz: Eleazar Rodriguez) in sein Leben einbricht und ein ganzes Theaterensemble im Schlepptau hat, beginnen die Turbulenzen. Die Truppe singt nicht nur die von Morosus verhasste Oper, sondern ist auch noch ziemlich queer – inklusive Dragqueen. Das ist für den alten weißen Mann alles extrem beunruhigend. Deshalb entzieht er Henry wieder das Erbe, kommt aber über Umwege an eine junge Ehefrau namens Timida, die zu seinem Leidwesen aber doch nicht so schweigsam ist, wie er sich das erhofft hat.
Nach etwas schleppendem Beginn nimmt der Abend Fahrt auf. Die Gagdichte erhöht sich, die musikalischen Steigerungen im Orchestergraben werden von Georg Fritzsch bei leichten Koordinationsproblemen (Beginn 3. Aufzug) schön zugespitzt. Die Badische Staatskappelle switcht gekonnt zwischen kammermusikalischer Intimität und durchgeknallter, schriller Motorik. Die schnellen Wechsel zwischen Aktion und Reaktion, zwischen Melodieansatz und sofortigem Abbruch gelingen ausgezeichnet. Am Ende ist der grantelnde Morosus froh, dass die lärmende Frau die Gattin seines Neffen bleibt. Und kommt nach einer wahren Rosskur doch noch zur Erkenntnis: „Wie schön ist das Leben, aber wie schön erst, wenn man kein Narr ist und es zu leben weiß.“

Weitere Vorstellungen: 10.02., 17./24.03, 4./12./24.04. www.staatstheater.karlsruhe.de

Bildquellen

  • Danae Kontora und Friedemann Röhlig: © Felix Grünschloß